SGK268 - Die Henker aus dem Unsichtbaren
oder
nicht. Einen Dauerzustand allerdings wollte sie daraus nicht machen.
An all diese Dinge mußte Lilian Showny unwillkürlich denken, als
sie den Frühstückstisch deckte.
Die Angst in ihrem Herzen wollte nicht weichen. Im Gegenteil! Sie
war schlimmer geworden.
Johns Verhalten war alles andere als normal zu bezeichnen. Wenn
wirklich mit seiner Psyche etwas nicht stimmte, dann fand alles, was in dieser
Nacht geschehen war, eine ganz eindeutige Erklärung.
Zum ersten Mal seit ihrer Bekanntschaft mit ihm nahm sie sich vor,
auf der Hut zu sein.
Warum kam er immer noch nicht? Weshalb hatte er solange in seinem
Arbeitszimmer zu tun?
Der Tee war zubereitet. Sie konnten mit dem Frühstück anfangen...
Da knackte das Schloß. Deutlich war zu hören, wie der Schlüssel
gedreht wurde. Leise wurde die Tür geöffnet. Dann hörte man Schritte.
Willex kam.
Lilian saß bereits am Tisch und wandte den Kopf, als er die
Türschwelle passierte.
»Oh, John«, sagte sie einfach und seufzte. Soviel lag ihr auf dem
Herzen. Sie wollte sich erheben und ihm entgegengehen.
Doch er winkte ab. »Nein, bitte, nicht... nicht jetzt«, sagte er
mit leiser Stimme.
Ein flüchtiges, stilles Lächeln huschte über seine Lippen. Wie ein
Schatten.
Lilian Showny musterte den Mann, den sie liebte.
Hatte er sich verändert? War er äußerlich anders als sonst?
John Willex war kein großer Mann, nur einen Zentimeter größer als
die einszweiundsiebzig messende Lilian. Er war eine sportliche, schlanke
Erscheinung, wirkt aber für seine 28 Jahre wesentlich reifer und älter. Die
einschneidenden Ereignisse in seinem Leben wäre nicht
spurlos an ihm vorübergegangen.
Sein Gesicht hatte ernste Züge, war scharfgeschnitten. Das Leben
hatte schon früh seine Zeichen in diesem Antlitz hinterlassen.
Johns gerade Nase, die buschigen Augenbrauen, das dichte,
kurzgeschnittene Haar... Lilian konnte keine Veränderung an ihm feststellen.
Seine Kleidung saß perfekt. Darauf legte er stets großen Wert.
Schon am Frühstückstisch hatte er die Krawatte umgebunden.
Willex wirkte blasser als sonst, überarbeitet. Das war der einzige
Unterschied, den Lilian Showny feststellen konnte.
John Willex ging an der anderen Seite des Tisches vorbei, um ans
hintere Ende zu gelangen. Die runde Nische mit den Fenstern zum Garten war mit
schweren Samtvorhängen drapiert. Das Tageslicht hatte Mühe, das dichte Gewebe
zu durchdringen.
Eine angenehme Halbdämmerung herrschte in der Ecke, wohin der
Eßtisch ragte.
John Willex nahm schweigend Lilian Showny gegenüber Platz.
Die Frau mit dem schmalen Gesicht und den schwarzen Augen blickte
wortlos auf ihren Verlobten.
Sie war ständig hin und her gerissen zwischen stiller Hoffnung und
Angst, die sie nicht erklären konnte. Sie weigerte sich zu glauben, daß John in
dieser Nacht etwas getan hatte, was eine Frau mit schwachen Nerven in den
Wahnsinn getrieben hätte.
Sie griff nach dem Brotkorb und reichte ihn über den Tisch.
»Bitte, greif zu«, forderte sie den Mann leise und freundlich auf.
Warum hat er mir keinen Kuß gegeben, so wie sonst, schoß es ihr
durch den Kopf. Weshalb setzt er sich so weit von mir weg?
Er schüttelte kaum merklich den Kopf. «»Nein, danke, iß du! Ich
habe keinen Hunger...«
Lilian hob kaum merklich die Augenbrauen und begann, ihr Brot mit
Butter zu bestreichen.
»Ich muß dir etwas erklären«, sagte Willex.
»Hm«, nickte Lilian Showny und kaute. »Darauf warte ich schon die
ganze Zeit .«
Er saß still da, griff weder nach der Tasse, in die Lilian Tee
eingeschenkt hatte, noch nach einem Stück Brot. Dabei stand seine
Lieblingsmarmelade auf dem Tisch.
»Es wird nicht sehr einfach sein, dir die Zusammenhänge
klarzumachen«, fuhr er unvermittelt fort. »Du weißt, welch großen Wert ich
darauf legte, in diesem Haus zu sein, es zu besitzen, nicht wahr ?«
»Ja. Du hast wochen-, monatelang von nichts anderem mehr
gesprochen, John. Anfangs habe ich es nicht verstanden. Du hattest eine schöne
Wohnung in Bristol. Das Haus hier ist natürlich um vieles exklusiver...«
»Aber ich hätte es mir nie leisten können, trotz des Vermögens,
das mein Vater hinterlassen hat. Sir Anthonys Haus war für einen Mann aus
meinen Verhältnissen trotz allem eben eine Nummer zu groß. Allein schon die
Inneneinrichtung. Sie ist einige hunderttausend Pfund wert. Frederic war ein
Mann von vornehmer Lebensart, der einen erlesenen Geschmack besaß. Jeder Raum
ist eine Perle .«
Da mußte Lilian ihm
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