SGK268 - Die Henker aus dem Unsichtbaren
hätte.
»Tut mir leid! Mister Willex ist nicht im Haus. Wann er
zurückkommt? Das ist noch ungewiß. - Aber bitte, wenden Sie sich doch an das
Stadtbüro. Dort wird man Ihnen gewiß helfen können .«
Der Anrufer ließ durchblicken, daß er mit John Willex einen festen
Termin vereinbart hätte. Und der war an diesem Morgen.
»Dringende Geschäfte auswärts verlangen die dortige Anwesenheit
von Mister Willex. Tut mir wirklich leid, Sir! Ich kann keine Besuche empfangen
...«
Mit ihrem Charme gelang es ihr, den Anrufer an die Kanzlei in
Bristol zu verweisen. Als Lilian auflegte, kam ihr eine Idee.
John hatte zwar ausdrücklich verlangt, daß heute alle Termine in
diesem Haus abgesagt werden - aber er hatte kein Wort davon gesagt, daß sie
niemand empfangen dürfe.
Sie wollte im Haus bleiben. Ihr drohte keine unmittelbare Gefahr.
Alles drehte sich nur um John. Er war in das schwarzmagische Netz eines Mannes
geraten, von dem er ein Leben lang annahm, daß er sein Freund sei. Nun hatte
der Betreffende sich als sein schlimmster Feind entpuppt. John wollte
wiederkommen. Er suchte nach einem Ausweg.
Seltsam - nur einen flüchtigen Moment hatte sie den Gedanken
gehabt, nach dem Leichenfund ins Haus zu
laufen und die Polizei zu rufen. Aber sie hatte es nicht getan.
Die Polizei, dieser Überzeugung war sie, hatte hier nichts zu suchen.
Das war kein normaler Mord! John behauptete, Selbstmord begangen
zu haben, um ein magisches Ritual zu erfüllen - und er schien überzeugt davon
zu sein, daß er imstande war, mit ihrer Hilfe seinen toten Leib wieder zu
beseelen und so zu ihr zurückzukehren, wie er wirklich war. Ein Mann aus
Fleisch . und Blut, kein Geist...
Daß sie nicht mehr ganz logisch dachte, überhaupt nicht mehr
sachlich - das merkte sie schon nicht mehr.
Es war die Logik eines geschädigten Geistes.
Sie enschloß sich sofort.
Die Nummer hatte sie im Kopf. Es war die ihrer Freundin Peggy
Limon aus Bristol!
»Hallo, Peggy«, sagte Lilian fröhlich.
»Lil, du? Das darf doch nicht wahr sein !« Peggy Limons Stimme war einzige Überraschung. »Laß' mich mal rasch nachrechnen.
Wie lange ist es her, seitdem wir uns nicht mehr gesehen haben ?«
»Zwei Jahre«, antwortete Lilian Showny wie aus der Pistole
geschossen.» »Seit dieser Zeit ging bei uns alle drunter und drüber. Ich hatte
dir versprochen, mich wieder zu melden, wenn mehr Ruhe eingekehrt ist .«
In den Jahren vor Lilians Verlobung mit dem jungen Anwalt waren Peggy
Limon und sie unzertrennlich gewesen. Johns anstrengender Beruf, in den sie mit
eingespannt wurde, war schuld daran, daß der Kontakt etwas eingeschlafen war.
»John ist zur Zeit außer Haus. Da hab' ich mir gedacht, wir
könnten uns wieder mal sehen !«
»Aber gern, Lil. Von mir aus jeden Tag. Nur zum Wochenende geht's
nicht. Da ist Jan im Haus. Ein bißchen Eheleben ist dann fällig...« Sie lachte.
Es klang gekünstelt - und unglücklich.
»Du könntest also auch schon heute abend ?« fragte Lilian schnell.
»Ja! Heute bin ich nicht in der Boutique. Das würde prima passen .«
»Wunderbar! Dann komm' doch! Mir behagt das Alleinsein nicht. Wie
wär's ?«
»Einverstanden.«
»Allerdings muß ich dich auf etwas aufmerksam machen, Peggy .«
»Das wäre ?«
»Wir wohnen ziemlich abseits .«
»Davon hast du das letzte Mal gesprochen, als wir uns
unterhielten. Wolltet ihr nicht ein Landhaus am Rand von Dartmoor beziehen ?«
»Richtig. Ein bißchen weit vom Schuß, um nur einen Abend zu
bleiben, findest du nicht auch? Wie war's, wenn du deinen Besuch auf ein paar
Tage ausdehnen würdest, Peggy ?«
»Ich bin da ziemlich beweglich, weißt du. Es hängt allerdings
davon ab, was meine Chefin dazu meint. Im allgemeinen ist sie großzügig. Ich
werde mit ihr reden. Ich glaube kaum, daß es Schwierigkeiten gibt. Du, ich hab'
direkt Feuer gefangen. Die Idee gefällt mir. Ein paar Tage Abwechslung können
nicht schaden. Das machen wir auch .«
»Langweilig wird es dir hier bestimmt nicht werden. Das Landhaus
hat's in sich. Du weißt, daß es zuletzt von Sir Anthony Frederic, dem letzten
Henker Ihrer Majestät bewohnt wurde, nicht wahr ?«
»Hab' ich in der Zeitung gelesen. Es ging ja ein Rauschen durch
den Blätterwald, als von eurer Erbschaft die Rede war. Ihr seid richtige
Glückspilze. Es muß ein wunderbares Haus sein... «
»Ist es, Peggy! Es hat nur einen Nachteil. In ihm spukt's ... «
»Herrlich !« rief Peggy Limon aus. »Ich
wollte schon immer mal ein Haus mit richtigen
Weitere Kostenlose Bücher