SGK312 - Die 17 Kammern des Grauens
ihn.
Weitermachen, nicht aufgeben, hämmerten seine Gedanken. Eine unvorstellbare
Willenskraft zwang ihn, noch immer nicht aufzugeben. Was Henrik van Oltsen in diesen achtzig, neunzig Sekunden schaffte, die
ihm noch zur Verfügung standen, die ihm zur Ewigkeit wurden, war mehr, als ein
Mensch verstehen konnte.
Van Oltsen ging in die Hocke, begann die Unke Armmanschette mit ungeheurer
Kraftanstrengung aufzubiegen, so daß er schließlich die Hand herausziehen
konnte. Dann kam die andere Hand an die Reihe. Er mußte sich von den schweren
Ketten befreien, die ihn in die Tiefe zogen. Mit ihnen kam er niemals mehr in
die Höhe, falls er überhaupt noch eine Überlebenschance hatte.
Die zweite Manschette konnte er so
verbiegen, daß er sie mitsamt der Kette auf den Boden schleudern konnte. Nur
nicht die Fußmanschetten, an denen die Stahlkugeln befestigt waren.
Reichte die Zeit… der Sauerstoff? Der
letzte Atemzug entwich seinen Lungen. Sein Herz pochte, als wolle es den
Brustkorb sprengen. Im Augenblick der höchsten Todesangst wurde der Mann mit
den stählernen Muskeln, der zwei Sportflugzeuge am Start hinderte, zu einem
wahren Herkules.
Van Oltsen bog die Manschetten von seinen Fußgelenken und befreite sich damit von den
zentnerschweren Stahlkugeln.
Er stieß sich in die Höhe und bewegte
die Hände, so kräftig es ging, um den Auftrieb zu beschleunigen. Wie
entsetzlich viel zehn Meter sein konnten! Noch immer hatte er das Gefühl, an
Zentnergewichten zu hängen, jeder Meter nach oben wurde zur Qual, zur
Unendlichkeit. Da konnte er nicht mehr. Er mußte atmen und öffnete den Mund.
Der erste Schwall Wasser drang ihm in die Nase und Lungen. Van Oltsen torkelte förmlich durch das Wasser. Nach oben…
Aber wo war oben, wo unten?
Plötzlich war die Orientierung weg!
Doch er schwamm mechanisch weiter. Auf
einmal war kein Wasser mehr da. Er durchstieß die Oberfläche. Luft?! Van Oltsen riß die Arme empor und suchte nach einem Halt, weil
er plötzlich kein Gefühl mehr hatte, wie er schwimmen mußte. Eine rauhe
Oberfläche, der Brunnenrand? Ja! Er klammerte beide Hände daran, hatte den Mund
weit aufgerissen, hustete, spuckte Wasser aus. Und atmete! Wie herrlich war es
zu atmen. Der unheimliche Druck auf Brust und Hirn verschwand. Van Oltsen kam wieder zu Kräften und warf einen Blick zurück in
das grünlich schimmernde, eiskalte Wasser, dessen Kälte er schon gar nicht mehr
spürte.
Dann zog er sich langsam über den
Brunnenrand hinweg.
Was würde ihn auf der anderen Seite
erwarten?
*
»Ich hatte die Geräusche gehört«, fuhr
der Mann fort, der sich ihm als Dr. Franklin vorgestellt hatte. »Ich wollte meinen
Beobachtungsplatz eigentlich nicht verlassen, den Malcolm mir zugewiesen hatte.
Aber ich konnte mich einfach nicht mehr zurückhalten .«
Larry Brent hörte zwar die Worte, aber
er verstand noch nicht dessen Sinn. Der wurde ihm erst klar, als noch jemand auftauchte.
Kaum waren Franklins Worte verklungen, waren die sich nähernden Geräusche zu
hören. Schritte und ein monotones Surren kam rasch
näher. Zuerst bog der Elektrorollstuhl um die Ecke − dann Morna
Ulbrandson.
Sie blieb wie vom Donner gerührt
stehen. »Larry ?« fragte sie verwirrt, als sie den
blonden, großgewachsenen Mann sah.
»Du − hier?«
Dann flog sie auch schon in seine
Arme.
X-RAY-3 erfuhr von Mornas Begegnung
mit Malcolm Hampton, der mit seinem Elektrorollstuhl die unterirdischen Gänge
abgefahren hatte, weil er für diese Nacht etwas Besonderes erwartete.
Während Dr. Franklin in die Hocke ging
und sich um Sioban Hampton kümmerte, klärten Morna
und Malcolm Hampton Larry Brent auf.
Auch sie waren durch die
Kampfgeräusche aufmerksam geworden und waren schnell hierher
gekommen .
» Sioban ist
seit einiger Zeit verändert«, erklärte Malcolm Hampton mit belegter Stimme.
»Ich kam lange Zeit nicht dahinter, was es sein könnte. Dann bekam ich eine
Ahnung. Es mußte mit dem Wesen Fitzpatrick John Mahon Hamptons zusammenhängen, den man als den Ahn mit dem
bösen Blick bezeichnete.
Sioban interessierte sich mehr und mehr für die
Geschichte Hampton-Castles. Das war an sich verständlich. Aber die diffizilen
Nachforschungen über das Leben Fitzpatricks , der
Menschen folterte und quälte, in Verliese lockte und den Ratten auslieferte
oder einer Strahlenkammer − das behagte mir nicht.
Seit einiger Zeit war ich mir sicher,
daß der böse Geist Fitzpatricks in ihr nachwirkte,
daß sie von Fall zu Fall zu einer
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