SGK324 - Phantomjagd auf Morna U
Atemtätigkeit verstärkte sich danach. Der
lange Aufenthalt in dem gräßlichen, engen Verlies hatte zur Sauerstoffknappheit
geführt.
Morna schlug verwirrt die Augen auf und
brauchte einen Moment, ehe sie begriff, daß sie sich in einem Keller befand,
inmitten einer Versammlung von Menschen, die ein unheimliches Hobby betrieben.
»Was geht hier vor?« fragte die Schwedin
tonlos und versuchte sich aufzurichten. Ihre Glieder waren steif. Sie hatte das
Gefühl, ihre Arme und Beine nie wieder bewegen zu können. Als sie sich aufrecht
hinsetzte, glaubte sie, der Rücken würde ihr durchbrechen.
»Josephine?« murmelte Morna und starrte auf
die Frau, die ihr genau gegenüber stand. Die anderen waren weiter in das
Halbdunkel des Kellerraumes zurückgetreten. »Du - hier? Geht denn dieser
schreckliche Traum überhaupt nicht zu Ende?«
Rose kicherte leise und ging hinunter an den
großen Tisch, begann die Holzklötze wahllos durcheinander zu werfen und griff
dann bestimmte Buchstabenwürfel heraus, die sie eine nach dem anderen in einem
bestimmten Muster, in dem Larry einen Druidenstern zu erkennen glaubte,
aneinanderfügte.
»Ich wollte dich besuchen, Josephine«, fuhr
Morna mit schwerer Zunge fort. Mit ihrem langen, fleckig gefärbten Haar wirkte
sie fremd.
»Du hast mich besucht, Morna, und ich habe
dich auch wissen lassen, daß es besser für dich ist, zu gehen, nicht zu bleiben
. . . das ist kein Traum, Morna ... es ist die Wirklichkeit, eine Wirklichkeit,
in die du für deine Person besser nicht hineingeraten wärst. Nun mußt du die
Konsequenzen daraus ziehen ... Ich kann dir sagen, was hier vorgeht. Jetzt
kannst du es wissen, denn du wirst keine Gelegenheit mehr finden, mit anderen
darüber zu sprechen ...«
Josephine Tofflaines Stimme klang kalt und
unpersönlich.
»Was ist mit dir geschehen, Josephine?«
fragte X-GIRL-C. Ihre Stimme war wie ein Hauch.
»Sehr viel in den Jahren, seitdem wir uns
nicht mehr gesehen haben«, lachte die Gefragte leise. »Es ging mir nicht gut.
Das Leben an Pierres Seite erwies sich mehr und mehr als eine Schwierigkeit.
Anfangs spürte ich die Notlage nicht. Wir waren glücklich, zufrieden mit uns
selbst und der Kunst Pierres. Aber das änderte sich. Ich begann ihm Vorwürfe zu
machen, ich ließ ihn wissen, daß ich mir ein Leben an seiner Seite anders
vorgestellt hätte - und ich hielt ihm immer wieder meinen erfolgreichen und
leider allzu früh verstorbenen Vater vor Augen. Pierre gab sich alle Mühe,
seine Bilder zu verkaufen, doch das nützte nicht viel. In jener Zeit, als ich viel
allein war, fing ich damit an, seltsame Bücher zu lesen, in denen von
Okkultismus und Schwarzer Magie die Rede war.
Ich entdeckte Hinweise darauf, daß die Mächte
der Finsternis, die Kraft der Dämonen und Geister sich beschwören ließen, wenn
man ihre Namen erführe. Jeder von uns kann einen speziellen Dämon zitieren, der
ihm zur Seite stehen wird. In einem alten Buch, das um die Jahrhundertwende
gedruckt worden war, stieß ich auf den Namen „Madame Rose“. Sie war lange Zeit
als Wahrsagerin und erfolgreiche Lebensberaterin aufgetreten. Man nahm an, daß
Madame Rose durch ihre Beschäftigung mit den Geistern des Jenseits - die nicht
ganz ungefährlich ist - alterslos geworden wäre, daß sie weiterhin im
Verborgenen wirkte und sich wahrscheinlich noch in Paris aufhielt. Aber wo -
das wisse kein Mensch ...
Ich vollzog einige okkulte Praktiken und fand
auf diesem Weg den Hinweis auf den Ort, wo Madame Rose sich aufhielt. Ich
vertraute mich ihr an. Sie fand die Lösung, als sie den für mich geeigneten
Dämonennamen entdeckte. Es war Ardox. Er kannte meine Wünsche. Er konnte sie
mir umgehend erfüllen, wenn ich meinerseits bereit war, die Forderung
anzuerkennen.«
»Was für eine Forderung?« fragte die Schwedin
heiser, die bereits ahnte, was kommen würde.
»Pierre nach drüben zu schicken - ins
Jenseits. Er könne wiederkommen, für Stunden - mit Bildern aus einer Welt, die
wir noch nicht geschaut haben - ganz neue Landschaften, Orte der Geister und
Dämonen. Diese Bilder sollten unsere Räume schmücken, das war eine Forderung.
Die zweite war härter, und ich brauchte einige Zeit, um mich dazu
durchzuringen. Doch die Entscheidung war richtig. Um alle Vorteile zu nutzen,
mußte ich ein Opfer bringen. Es war das Leben Pierres, das verlangt wurde.«
*
Mornas Kopfhaut zog sich zusammen.
Josephine Tofflaine kam auf das Podest, löste
in aller Ruhe die Fesseln von Mornas Armen
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