SGK324 - Phantomjagd auf Morna U
Nur mit einem Unterschied: diese
Gestalt hier lebte, atmete, sprach ...
*
Auch Larry Brents Geduld wurde auf eine harte
Probe gestellt. Doch dann lohnte sich diese Geduld.
Josephine Tofflaine verließ das Haus.
Es war Punkt zwanzig Uhr und finster in der
Rue Morgue. Der Lkw, hinter dem X-RAY-3 sein Leihfahrzeug verbarg, damit es
nicht gleich ins Auge fiel, war seit zwei Stunden nicht mehr da.
Aber Josefine Tofflaine achtete überhaupt
nicht auf den dunkelgrauen Citroen am Straßenrand, etwa hundertfünfzig Meter
von ihrer Wohnung entfernt.
Ohne nach links oder rechts zu sehen, lief
sie mit schnellem Schritt auf die Straßenkreuzung zu, wo sie einige Sekunden
wartete. Die hübsche Französin war makellos gekleidet, geschmackvoll und teuer.
Unwillkürlich drängte sich Larry wieder die
alte Frage auf, daß eine Frau wie Josephine Tofflaine sich in dieser Gegend
wohl fühlte, hier wohnte. Sie hatte ihm erklärt, daß sie in diesem Viertel das
Haus billig erstehen und es sich so einrichten konnten, wie das wohl nirgends
sonst der Fall gewesen wäre. Dieses geräumige Haus gehörte ihnen ganz allein,
und es würde ein Palast sein, wenn es ausgebaut wäre. Sie hatten noch viele
Pläne.
Das Leben hier hatte zudem für sie noch einen
Vorteil. Pierre Tofflaine, der bekannte Maler, war dauernd im Gespräch. Er war
erfolgreich und verdiente viel Geld - ging aber aus der Rue Morgue nicht weg.
Waren das wirklich die einzigen Gründe - oder
gab es noch einen anderen, gewichtigeren, daß sie sich hier verwurzelt fühlten?
Josephine Tofflaine wartete auf etwas.
Auf einen Wagen.
Der fuhr gerade an die Kreuzung heran. Es
handelte sich um einen chromblitzenden amerikanischen Straßenkreuzer.
Als der Wagen anfuhr, startete auch X-RAY-3.
Als er Tofflaines Haus passierte, warf er
unwillkürlich noch mal einen Blick an der Fassade hoch.
Alle Fenster waren dunkel, die Haustür aber
nicht geschlossen. Das hatte Larry genau beobachtet. Jeder, der Lust und Laune
hatte, konnte in das Haus eindringen. X-RAY-3 mußte an die wertvollen Bilder
denken, die ungesichert an den Wänden hängen. Merkwürdig, wie leichtsinnig
Josephine Tofflaine sich verhielt.
Dennoch schien dieser Tag anders zu
verlaufen, einen anderen zeitlichen Ablauf zu nehmen als der gestrige. Morna
hatte bereits am späten Nachmittag die Wohnung leer vorgefunden.
Larry war wenig später in der gleichen Straße
und folgte dem Cadillac.
Eine Zeitlang ließ er stets zwei oder drei
Autos zwischen sich und dem zu verfolgenden Fahrzeug, um nicht unnötige
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Die Fahrt ging zum Bahnhof Clignancour.
In dieser Gegend war Jean Ludeux gestorben...
Die triste Umgebung, die öden, engen Straßen
schienen eine Fortsetzung des Gebietes zu sein, aus dem Josephine Tofflaine
gerade gekommen war.
Der Cadillac fuhr durch eine große
Toreinfahrt, die in einem düsteren Hinterhof mündete. Es handelte sich um ein
ehemaliges Kistenlager. Die Kisten, die stockwerkhoch im Hinterhof gestapelt
standen, sahen alt und vergammelt aus. Das Firmenschild über der Einfahrt war
entfernt. Die Firma offensichtlich schon seit langem pleite.
Larry riskierte es nicht, ebenfalls die
Toreinfahrt zu benutzen. Er ließ seinen Wagen einige Meter weiter rollen,
parkte am Straßenrand und lief dann den Weg zurück.
Vorsichtig passierte er die Toreinfahrt. Der
Cadillac stand hinter einem Kistenstapel und war kaum zu erkennen. Noch mehr
Fahrzeuge parkten da. X-RAY-3 zählte insgesamt drei.
Er blieb im Schatten des Torbogens stehen und
beobachtete, wie Josephine Tofflaine mit ihrem Begleiter zu dem rückwärtigen
Haus ging. Hinter den bereits geschlossenen Klappläden schimmerte schwacher
Lichtschein.
Die Eingangstür war über fünf schmale Treppen
zu erreichen.
Ohne zu klingeln, ohne anzuklopfen, ohne
einen Schlüssel zu benutzen, traten Josephine Tofflaine und ihr Begleiter ein.
Bei ihm handelte es sich um einen Mann Mitte Fünfzig, der Beschreibung Mornas
nach konnte es sich um Josephine Tofflaines Vater handeln, der ihr unter
seltsamen Umständen in der Wohnung des Malers begegnet war...
Als die beiden verschwunden waren, näherte
sich Larry Brent der Tür.
Da gab es einen Klingelknopf mit einem
Namensschild. Darauf stand »Madame Rose«.
Brent zögerte nicht, die Haustür aufzudrücken
und in den dämmrigen Korridor zu schlüpfen.
Von hier aus führte eine Tür in einen weiter
vorn liegenden Raum, eine hölzerne Treppe eine Etage höher.
Die Tür, die
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