SGK330 - Tanzplatz der Verfluchten
besonders lebenslustige Person gewesen war. Vordergründig gab es
keinen Grund für ihre Veränderung. In mehreren Testserien konnte ich auch keine
Anzeichen einer beginnenden Geisteskrankheit feststellen. Doch das Hirn eines
Menschen ist trotz der Kenntnisse, die wir darüber haben, nach wie vor ein
großes Geheimnis für uns. Im Verborgenen entwickelt es Kräfte, deren wir uns
erst seit einem Jahrzehnt langsam bewusst werden. Im
menschlichen Hirn und damit im menschlichen Geist sind alle Schattierungen des
Guten wie des Bösen enthalten. Und nicht nur das. Über die Fähigkeiten des
Bekannten hinaus wächst Unbekanntes. Mit seinem Hirn vermag der Mensch auch
materielle Dinge zu beeinflussen, wie wir wissen. Jene junge Frau, an die ich
mich lebhaft entsinne, machte seinerzeit gewissermaßen die Geburtswehen zu
einer neuen Entwicklung durch. Sie entwickelte übersinnliche,
parapsychologische Fähigkeiten. Sie wurde zur Telepathin. Als sie erkannte, dass sie die Gedanken anderer Menschen gewissermaßen
>lesen< konnte, als ihr bewusst wurde, was da
in den Köpfen einiger Menschen vorging, kam es zu einer Kurzschlusshandlung bei ihr. Sie nahm Gift - Selbstmord. Sie wurde mit den neuen Fähigkeiten nicht
fertig .«
Larry nickte und war in Gedanken
versunken. »Und Sie denken, dass bei Kaichen etwas
ähnliches passiert ist ?«
»Ich habe allen Grund zu dieser
Annahme .«
»Nur mit dem Unterschied, dass Kaichen möglicherweise nicht zum Telepathen wurde,
sondern zum Telekineten . Beweis sind die verbogenen
Eisenstäbe, die verrutschten Steine im Mauerwerk. Mit bloßen Händen und auch
mit dem besten Werkzeug ist das innerhalb so kurzer Zeit nicht zu schaffen. Sie
haben recht, Doc, da ist eine geistige Kraft am Werk gewesen ... wir müssen
Kaichen finden, um zu erfahren, was wirklich los mit ihm ist .«
Doch das war einfacher gesagt als
getan.
Sie gaben alle ihr Bestes. Jeder
Quadratmeter Boden wurde abgesucht. Im strömenden Regen wurden Büsche und
Verstecke ausgeleuchtet, in der Hoffnung, den Geflohenen doch noch zu
entdecken.
Als nach geraumer Zeit kaum noch die
Chance bestand, den Verschwundenen in unmittelbarer Nähe der Anstalt zu
entdecken, wurde Schwester Katja über das Handfunkgerät angerufen.
Die Frau meldete sich nicht. Da wurde
nach dem Rechten gesehen.
X-RAY-3 blieb an der Seite Dr.
Bergmanns, der nach unten zu der Portierloge eilte. Von Anfang an hatte Larry
ein komisches Gefühl. Seine Besorgnis wurde bestätigt, als sie am Haupttor
eintrafen.
Schwester Katja saß wie versteinert am
Boden, mit dem Rücken an den Schreibtisch gelehnt. Mit leeren Augen starrte sie
auf die beiden Ankömmlinge.
»Um Himmels willen !« entfuhr es Bergmann. Er war sofort bei ihr und fühlte ihren Puls. »Sie lebt,
sie steht unter einem schweren Schock. Ich muss sofort etwas für sie tun ...«
Er rief über das Handsprechgerät zwei
Pfleger zu sich, die mit einer Bahre kamen.
Schwester Katja wurde umgehend
behandelt. Die beiden Injektionen, die sie bekam, zeigten rasch Erfolg.
»Was ist geschehen ?« Dr. Bergmann hatte keine Erklärung für den Zustand
der Krankenschwester. »Ich möchte Sie
nicht unnötig mit Fragen quälen, Schwester ... ein kurzer Hinweis genügt. Er
ist vielleicht wichtig im Zusammenhang mit dem, was sonst noch geschehen
ist...«
»Was ist geschehen, Doktor ?«
»Kaichen ist ausgebrochen .«
»Nein - damit hat es bestimmt nichts
zu tun...« Ihre Stimme klang schwach. »Die Frau ..., die Fremde ... sie ist
einfach durch die Tür gekommen, obwohl sie ... verschlossen war...«
Dr. Bergmann und Larry Brent
wechselten einen schnellen Blick.
»Also doch !« konnte Bergmann sich die Bemerkung nicht verkneifen.
Er meinte damit, dass zur gleichen Zeit weitere telekinetische Kräfte wirksam waren. Offenbar auch
durch Kaichen ausgelöst.
Aber was für eine Bedeutung hatte dann
das Auftauchen der Fremden?
»Wie sah die Frau aus ?« fragte Larry, als Katja stockend ihr Erlebnis berichtet
hatte.
»Groß und schön... sie trug einen
verschlissenen Mantel, der nicht so recht zu ihrer Erscheinung passte . Aber darunter befand sich ein hübsches, raffiniert
geschnittenes Kleid ... sie war eine Frau, die einem Mann sofort gefallen kann
... und ich glaube kaum dass sie dem Antrag eines
Mannes etwas entgegengesetzt hätte. Sie machte auf mich den Eindruck einer Frau ... , die jeder leicht und sofort haben kann ... sie
war frech, provozierend, schnippisch ... eine unmögliche Person. Es kommt mir
jetzt schon
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