Shades of Grey - Geheimes Verlangen: Band 1 - Roman (German Edition)
Köhlerfisch.«
»Igitt. Ich hasse Austern. Aber eigentlich habe ich nicht nach dem Essen gefragt. Wie war Christian? Worüber habt ihr geredet?«
»Er war sehr aufmerksam.« Ich halte inne. Was soll ich ihr erzählen? Dass sein HIV-Status negativ ist, er auf Rollenspiele steht und will, dass ich all seine Befehle befolge? Dass er gern
Leute fesselt und mich in einem separaten Speiseraum vögeln wollte? Wäre das eine treffende Zusammenfassung meines Abends? Fieberhaft durchforste ich mein Gedächtnis nach irgendetwas, was ich Kate erzählen könnte.
»Er ist von Wanda nicht gerade begeistert.«
»Wer ist das schon, Ana? Das ist nichts Neues. Wieso zierst du dich denn so? Komm schon, spuck’s aus.«
»Meine Güte, Kate, wir haben über vieles geredet. Darüber, wie wählerisch er beim Essen ist. Und rein zufällig hat ihm dein Kleid sehr gut gefallen.« Der Wasserkessel pfeift, und ich mache mir meinen Tee. »Willst du auch einen? Soll ich mir deine Rede anhören?«
»Ja, bitte. Ich habe sie gestern Abend bei Becca’s noch einmal überarbeitet. Ich hole sie. Und ein Tee wäre prima.« Sie läuft hinaus.
Puh! Ablenkungsmanöver gelungen. Ich schneide ein Bagel auf und schiebe die Teile in den Toaster, während mir mein Traum wieder in den Sinn kommt. Was um alles in der Welt war das bloß?
Mir schwirrt der Kopf. Christians Vorstellung von einer Beziehung klingt eher wie ein Jobangebot mit festen Arbeitszeiten, einer klar umrissenen Aufgabenstellung und reichlich drastischen Methoden zur Sicherung der Leistungsqualität. So habe ich mir meine erste Romanze eigentlich nicht vorgestellt – aber wie Christian ja selbst gesagt hat, ist Romantik nicht sein Ding. Wenn ich ihm erkläre, dass ich mehr von ihm will, sagt er vielleicht Nein, was sein Angebot ernsthaft gefährden könnte. Das setzt mir am meisten zu, denn ich will ihn auf keinen Fall verlieren. Aber ich bin nicht sicher, ob ich den Mut aufbringe, seine Sub zu werden – die Vorstellung, mich mit einem Rohrstock oder einer Peitsche disziplinieren zu lassen, schreckt mich am meisten ab. Ich muss wieder an meinen Traum denken – so würde es also ablaufen? Meine innere Göttin zückt die Pompons und springt wie eine Cheerleaderin auf und ab. Ja, ja, ja!
Kate kehrt mit ihrem Laptop in die Küche zurück. Ich esse meinen Bagel und höre mir geduldig ihre Rede an, die sie als Jahrgangsbeste halten wird.
Als Ray an der Tür läutet, bin ich bereit zum Aufbruch. Ich mache auf, und er steht in seinem schlecht sitzenden Anzug vor mir. Bei seinem Anblick überkommt mich ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit und Liebe für diesen angenehmen, unkomplizierten Mann. Überschwänglich schlinge ich ihm die Arme um den Hals. Meine ungewohnte Zuneigungsbekundung scheint ihn etwas zu verwirren.
»Hey, Annie, ich freue mich auch, dich zu sehen«, murmelt er und legt die Arme um mich. Dann löst er sich von mir, legt mir die Hände auf die Schultern und mustert mich mit gerunzelter Stirn von oben bis unten. »Alles in Ordnung, Kleine?«
»Natürlich, Dad. Darf sich ein Mädchen nicht mal freuen, seinen alten Herrn wiederzusehen?
Ein Kranz feiner Fältchen erscheint um seine Augen, als er mich anlächelt.
»Du siehst gut aus«, lobt er und folgt mir ins Wohnzimmer.
»Das Kleid gehört eigentlich Kate.« Ich sehe an meinem Neckholder-Kleid aus grauem Chiffon hinunter.
Er runzelt die Stirn. »Wo ist sie überhaupt?«
»Sie ist schon zum Campus gefahren. Als Jahrgangsbeste darf sie eine Rede halten, deshalb muss sie etwas früher dort sein.«
»Sollen wir los?« »Wir haben noch eine halbe Stunde, Dad. Möchtest du einen Tee? Außerdem musst du mir erzählen, wie es in Montesano läuft. Wie war die Fahrt?«
Ray stellt seinen Wagen auf dem Campusparkplatz ab, dann schließen wir uns dem Strom der in schwarz-roten Talaren gekleideten Absolventen an, der sich in Richtung Aula bewegt.
»Viel Glück, Annie. Du wirkst schrecklich nervös. Musst du auch irgendetwas Besonderes machen?«
Verdammt, wieso muss Ray ausgerechnet heute so aufmerksam sein?
»Nein, Dad. Es ist nur ein wichtiger Tag.« Und gleich werde ich ihn sehen.
»Ja, meine Kleine hat ihren Abschluss in der Tasche. Ich bin so stolz auf dich, Annie.«
»Äh … Danke, Dad.« Wie ich diesen Mann liebe!
Die Aula ist brechend voll. Ray hat sich zu all den anderen Eltern und Gratulanten gesellt, während ich zu meinem Platz gehe. Mein schwarzer Talar und mein Hut geben mir ein Gefühl von Sicherheit und
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