Shadow Falls Camp - Entführt in der Dämmerung: Band 3 (German Edition)
charismatisches Kind. Er war beliebt. Klug. Freundlich.«
Kylie legte ihre freie Hand auf den Tisch. »Also nicht so wie ich.« Sie biss sich auf die Zunge. Das hatte sie eigentlich nicht laut sagen wollen.
Mrs Brighten schüttelte den Kopf. »Das würde ich nicht sagen. Deine Campleiterin hat uns gerade erzählt, wie toll du bist.« Sie fasste über den Tisch und legte ihre warme Hand auf Kylies. »Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir eine Enkeltochter haben.«
Etwas in der Berührung der Frau weckte Gefühle in Kylie. Es war nicht nur die Wärme der Haut – auch die Tatsache, dass die Haut so dünn war, das leichte Zittern der Finger. Die deutlich sichtbaren Knochen, die von der Zeit gezeichnet waren. Das erinnerte Kylie an ihre Oma – daran, wie die Berührung ihrer Großmutter immer zerbrechlicher wurde, bevor sie gestorben war. Wie aus dem Nichts drohte die Trauer Kylie zu übermannen. Trauer um ihre Oma und vielleicht schon eine Vorahnung darauf, was sie fühlen würde, wenn Daniels Eltern sterben würden. Und wenn man ihr Alter bedachte, konnte das nicht mehr allzu lange hin sein.
»Wann hast du denn erfahren, dass Daniel dein Vater ist?« Mrs Brightens Hand lag immer noch auf Kylies. Es fühlte sich irgendwie tröstend an.
»Erst vor kurzem«, brachte sie mühsam hervor. »Meine Eltern lassen sich scheiden, und da ist die Wahrheit irgendwie ans Licht gekommen.« Das war nicht wirklich gelogen.
»Sie lassen sich scheiden? Du armes Kind.«
Der alte Mann nickte zustimmend, und Kylie sah, dass seine Augen blau waren – wie die ihres Dads und wie ihre eigenen. »Wir sind froh, dass du beschlossen hast, uns zu suchen.«
»Ja, das sind wir.« Die Stimme von Mrs Brighten zitterte leicht. »Wir haben nie aufgehört, unseren Sohn zu vermissen. Er ist so jung gestorben.« Das Gefühl von Verlust und gemeinsamer Trauer hing im Raum.
Kylie biss sich auf die Zunge, um ihnen nicht zu erzählen, wie auch sie Daniel liebgewonnen hatte. Und dass Daniel seine Eltern geliebt hatte. Es gab so viele Dinge, die sie ihnen gern erzählen und sie gern fragen würde, aber es ging nicht.
»Wir haben Fotos mitgebracht«, sagte Mrs Brighten.
»Von meinem Vater?« Kylie war aufgeregt.
Mrs Brighten nickte und beugte sich mit langsamen Bewegungen zu ihrer Alte-Damen-Handtasche, die an der Stuhllehne hing. Kylies Herz klopfte schnell, als Mrs Brighten einen braunen Umschlag hervorholte. Ob Daniel ihr wohl ähnlich gesehen hatte, als er jung war?
Die Frau überreichte ihr den Umschlag, und Kylie öffnete ihn hastig.
Sie schluckte, als sie das erste Bild sah – ein sehr junger Daniel, vielleicht sechs Jahre alt, mit Zahnlücken. Sie dachte an ihre eigenen Fotos aus der Grundschulzeit, und sie hätte schwören können, dass sie sich extrem ähnlich sahen.
Die Fotos nahmen sie mit auf eine Reise durch Daniels Leben – von der Zeit, als er ein Teenager war, mit langen Haaren und ausgefransten Jeans, bis zum erwachsenen Daniel.
Auf dem letzten Bild war er mit einer Gruppe von Leuten abgebildet. Kylie stockte der Atem, als sie sah, wer neben ihm stand. Ihre Mutter.
Ihr Blick schnellte nach oben. »Das ist meine Mom.«
Mrs Brighten nickte. »Ja, das wissen wir.«
»Wirklich?« Kylie war verwirrt. »Ich dachte, Sie hätten sie nie getroffen?«
»Wir haben es uns zusammengereimt«, schaltete sich Mr Brighten ein. »Nachdem wir von dir erfahren haben, haben wir uns gedacht, dass es wahrscheinlich die Frau auf dem Foto war.«
»Oh.« Kylie schaute wieder das Bild an und fragte sich, wie sie das alles aus einem Foto geschlossen hatten. Aber das war nicht so wichtig. »Kann ich die behalten?«
»Natürlich kannst du das«, antwortete Mrs Brighten. »Ich habe Abzüge davon gemacht. Daniel hätte gewollt, dass du sie bekommst.«
Ja, das hätte er. Kylie musste daran denken, wie er vorher versucht hatte, sie zu besuchen, als hätte er ihr etwas sehr Wichtiges zu sagen. »Meine Mom hat ihn geliebt.« Kylie erinnerte sich an die Sorge ihrer Mutter, dass die Brightens es ihr übelnehmen würden, dass sie nicht früher nach ihnen gesucht hatte. Aber sie schienen keinen Groll zu hegen.
»Da bin ich mir sicher.« Mrs Brighten berührte wieder Kylies Hand. Wärme und echte Zuneigung lagen in der Berührung. Es fühlte sich beinahe … magisch an.
Das plötzliche Piepen von Kylies Handy platzte in die sensible Stille hinein. Sie fühlte sich fast schon hypnotisiert von Mrs Brightens Blick und ignorierte die
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