Shadow Falls Camp - Entführt in der Dämmerung: Band 3 (German Edition)
erfahren.
Okay, die eine Sache – Dereks Liebesgeständnis – konnte nicht richtig zu den anderen gezählt werden, weil es nichts Negatives war. Aber toll war es auch nicht gerade. Nicht jetzt. Wo sie gerade einigermaßen über ihn hinweg war. Wo sie die letzten Wochen damit verbracht hatte, sich einzureden, dass sie nur Freunde waren.
Sie ging im Kopf die vier Neuigkeiten durch. Sie wusste nicht, worauf sie sich zuerst konzentrieren sollte. Oder vielleicht doch. Sie war eine verdammte Eidechse!
»Ernsthaft?«, fragte sie ins Leere. Der texanische Wind schnappte sich ihre Worte und trug sie davon. Sie hoffte, er würde sie bis zu ihrem Vater tragen, wo auch immer er gerade war. Wahrscheinlich in irgendeiner Zwischenwelt auf dem Weg ins Jenseits. »Echt jetzt, Dad? Eine Eidechse?«
Natürlich antwortete ihr Vater nicht. Nach zwei Monaten, in denen sie mit einem Geist nach dem anderen zu tun gehabt hatte, ärgerte sie sich immer wieder über die Grenzen, die ihr beim Geistersehen gesetzt waren. »Verdammt!«
Sie machte einen weiteren Schritt auf die Tür der Bürohütte zu, wo sie sich bei Holiday auskotzen wollte, hielt dann aber inne. Burnett James, der zweite Campleiter und ein emotional etwas unterkühlter, aber umso heißer aussehender Vampir, war gerade bei Holiday. Da Kylie die beiden nicht mehr streiten hörte, ging sie davon aus, dass sie mit etwas anderem beschäftigt waren. Und ja, mit etwas anderem meinte sie Rumknutschen, Speichel austauschen, Zungentango. Alle möglichen Ausdrücke, die ihre launische Vampir-Mitbewohnerin Della immer benutzte, fielen ihr dazu ein. Was wohl bedeutete, dass sie selbst gerade nicht die beste Laune hatte. Aber nach allem, was ihr passiert war, stand ihr das auch zu, oder?
Sie knetete nervös die Hände und stand unschlüssig vor der Tür. Ohne es zu wollen, hatte sie schon den ersten Kuss von Burnett und Holiday unterbrochen. Sie hatte nicht vor, das beim zweiten zu wiederholen. Besonders jetzt, wo Burnett damit gedroht hatte, Shadow Falls zu verlassen. Holiday würde ihn doch bestimmt umstimmen können, oder?
Mal davon abgesehen, vielleicht tat es ihr auch ganz gut, erst mal etwas runterzukommen. Sich zu entspannen. Ihre Gedanken zu sortieren, bevor sie mit dieser miesen Laune zu Holiday rannte. Sie dachte an ihr letztes Geistererlebnis. Wie konnte ihr der Geist von jemandem erscheinen, der noch am Leben war? Es musste ein Trick sein, oder?
Sie schaute sich um, ob der Geist auch wirklich wieder weg war. Zumindest die Kälte war verschwunden.
Sie machte kehrt und sauste die Verandatreppe hinunter und um die Ecke. Als sie hinter der Bürohütte angekommen war, begann sie zu laufen. Sie sehnte sich nach der Freiheit, die sie verspürte, wenn sie rannte. Wenn sie schnell rannte – übernatürlich schnell.
Der Wind verfing sich in ihrem schwarzen Kleid und ließ den Rocksaum um ihre Oberschenkel tanzen. Sie lief schnell, und sie vermisste ihre Sportschuhe, die sie sonst trug, fast gar nicht. Doch als sie am Waldrand ankam, blieb sie abrupt stehen – so abrupt, dass sich die Absätze ihrer schwarzen Schuhe in die weiche Erde gruben.
Sie konnte nicht in den Wald gehen. Sie hatte keinen Schatten dabei – die obligatorische Begleitperson, die ihr helfen sollte, sich gegen den bösen Mario und seine Abtrünnigen-Kumpel zur Wehr zu setzen, falls die sich entschließen sollten, sie anzugreifen.
Wieder anzugreifen.
Bisher waren die Versuche des alten Mannes, ihrem Leben ein Ende zu setzen, zwar immer fehlgeschlagen, aber bei zwei der Versuche hatte jemand anderes sein Leben lassen müssen.
Kylie überkam ein Anflug von Schuldgefühl. Gefolgt von Furcht. Mario hatte gezeigt, wie weit zu gehen er bereit war. Und er hatte bewiesen, wie abgründig böse er war, als er vor ihren Augen seinem eigenen Enkelsohn das Leben nahm. Wie konnte man so skrupellos sein?
Sie schaute zum Waldrand und beobachtete die Blätter der Bäume, die im Wind tanzten. Die Szene war so völlig natürlich, dass sie der Anblick hätte beruhigen sollen.
Aber sie fühlte sich nicht ruhig. Der Wald oder besser, etwas, das sich darin verbarg, forderte sie heraus, ihn zu betreten. Etwas zog sie förmlich zum Waldrand. Kylie war verwirrt von dem seltsamen Gefühl und versuchte es zu ignorieren. Aber das Gefühl ging nicht weg, sondern wurde sogar noch stärker.
Sie atmete den grünen Duft des Waldes ein, und da wusste sie es.
Es war ihr plötzlich ganz klar und deutlich.
Mario würde nicht
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