Shadow Falls Camp - Erwacht im Morgengrauen: Band 2 (German Edition)
»Ich kann das nicht reparieren.«
»Doch, das kannst du!«
»Was kannst du nicht reparieren?« Sara betrachtete das Album, als dachte sie, Kylie hätte etwas kaputtgemacht.
»Nichts.« Kylie setzte sich zu Sara aufs Bett. Die Erinnerungen an dieses Bett, auf dem sie Geheimnisse geteilt und über dumme Sachen gelacht hatten, waren beinahe überwältigend.
Sie schluckte ihre Gefühle, die sie zu übermannen drohten, hinunter. »Weißt du noch, wie wir hier gelegen haben und vor dem Spiegel küssen geübt haben? Vor der Tanzparty in der sechsten Klasse?«
Sara lächelte. »Ja.« Sie lehnte sich ins Kissen zurück und schloss die Augen. Ihre langen braunen Haare sahen dünner aus und hatten ihren üblichen Glanz verloren. Das Schweigen wurde erdrückend und traurig.
Kylie streichelte Saras Arm. »Was hat denn der Arzt gesagt?«
32. Kapitel
Sara öffnete die Augen. »Der Onkologe hat gesagt, er würde versuchen, mich in eine experimentelle Studie hineinzubekommen, aber … er denkt, es ist zu spät.« Saras Augen füllten sich mit Tränen. »Mom sagt, ich schaffe es, aber …« Sara schluckte. »Ich will nicht sterben.« Ihre Lippen bebten. »Aber ich muss immer daran denken, was meine Mutter damals gesagt hat. Dass sie, wenn sie jemals Krebs bekommen würde, lieber sterben würde, als das durchzumachen, was mit meiner Oma passiert ist. Sie hat immer gesagt, die haben Oma tot-operiert. Ich will das nicht. Die eine OP war schon schlimm genug.«
Kylie musste an die Träume denken, die sie gehabt hatte, von Messern, die ihr bedrohlich nahe kamen. Sie schaute auf Saras Bauch. »Wann hattest du die Operation?«
»Letzte Woche«, antwortete Sara. »Ich hab mehrmals meine Tage nicht gehabt. Der Arzt in der Klinik hat dann einen Knoten gespürt, als er mich durchgecheckt hat. Zwei Tage später hatte ich einen OP-Termin.«
»Warum hast du mich nicht angerufen?«
Sara biss sich auf die Unterlippe. »Das hab ich doch gemacht. Ich hab dir nur nicht gesagt, dass ich vielleicht Krebs habe, aber …«
Kylie hatte plötzlich ein furchtbar schlechtes Gewissen. Der Geist, Saras Großmutter, hatte die ganze Zeit versucht, sie dazu zu bewegen, sich die Nachricht von Sara anzuhören. Dieselbe Nachricht, die sie sich vorhin erst angehört hatte.
»Konnten sie den Tumor nicht entfernen?«
Sara schüttelte den Kopf. »Er war zu groß. Er hat sich schon ausgebreitet.«
Kylie musste schlucken, damit sie nicht losweinte. Sie dachte an Treys Nachricht, die sie in der Pension erhalten hatte. Warum hatte der Geist ihr Treys Nachricht geschickt? »Trey?«
Sara schaute auf ihre gefalteten Hände. »Es tut mir so leid. Ich schwöre, ich wollte nicht, dass es passiert. Ich hab zu viel getrunken. Und er war auch betrunken.«
»Was?«, entfuhr es Kylie.
Sara schaute hoch. »Scheiße. Er hat es dir gar nicht erzählt, oder?«
Kylie brauchte nur eine Sekunde, um zu verarbeiten, was Sara ihr gesagt hatte – und noch weniger Zeit, um festzustellen, dass das jetzt völlig unwichtig war.
»Ich habe ihn gebeten, es dir zu sagen, weil ich es nicht ertragen habe. Er hat versprochen, es zu tun.«
»Er hat es versucht. Ich bin nicht ans Telefon gegangen. Aber es ist mir auch egal, Sara.« Sie nahm Saras Hand in ihre und drückte sie sanft. »Trey und ich … das ist so was von vorbei. Aber du bist mir wichtig.«
Eine Träne kullerte Sara über die blasse Wange. »Und das sagst du nicht nur so, weil ich sterben muss, oder?« Sara versuchte es mit Humor.
Kylie lachte nicht. »Nein.«
Sara löste ihre Hand aus Kylies Griff. »Du bist ganz schön warm.«
»Du kannst es.« Die Stimme des Geists war direkt an Kylies Ohr. »Es ist deine Berührung.«
Kylie schaute den Geist fragend an. »Meinst du etwa … wie Helen?«
»Was?« Sara verstand nur Bahnhof.
Kylie starrte weiter den Geist an.
»Tu es« , forderte der Geist sie auf. »Bitte. Heile sie. Bevor es zu spät ist.«
»Ich weiß doch gar nicht, wie«, murmelte Kylie.
»Halluziniere ich, oder redest du grad mit dir selbst?«, fragte Sara verdutzt. »Also, ich meine, ich nehme schon ziemlich starke Medikamente im Moment.«
Kylie wandte sich wieder an Sara. »Nein.« Sie spürte, wie die Kälte des Geistes näher kam.
»Nein, ich halluziniere nicht oder nein, du redest nicht mit dir selbst?«
»Nein, zu beidem.« Kylie versuchte, klar zu denken. Konnte sie das wirklich?
Sie betrachtete wieder das Foto von Saras Großmutter. »Wie hieß deine Großmutter?«
»Fanny Mildred
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