Shadow Falls Camp - Erwacht im Morgengrauen: Band 2 (German Edition)
den Kylie schon vorher in Perrys Augen gesehen hatte, waren mit dem Kuss nicht verschwunden. Wenn überhaupt, dann sah er jetzt noch wütender aus.
»Das«, sagte Perry, sein Tonfall passend zu seinem Gesichtsausdruck, »war nur, um dir zu zeigen, wie sehr es sich gelohnt hätte, auf mich zu warten.«
»Hätte?«, wiederholte Miranda mit zittriger Stimme.
»Ja, hätte.« Perry drehte sich abrupt um und ging davon. Aber er streckte noch einmal die rechte Hand zurück und zeigte ihr den Mittelfinger.
»Was soll das denn heißen?«
»Denk mal drüber nach«, rief er, ohne sich umzudrehen.
Miranda wandte sich Kylie und Della zu. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Oh, verdammt.« Kylie fühlte mit ihrer Freundin.
»Arschloch«, rief Della hinter Perry her.
Holiday kam den Pfad entlang gerannt. Als sie bei ihnen ankam, musterte sie erst die drei Mädchen und dann den davonlaufenden Perry. »Was war denn hier gerade los?«
»Nichts«, antwortete Della.
Holidays Blick fiel auf Miranda, die wie versteinert Perry hinterherschaute, und ihr verheultes Gesicht. Holiday wandte sich wieder an Della. »Ich habe aber etwas gehört.«
»Okay … Sagen wir, fast nichts«, räumte Della ein und zuckte die Schultern.
Holiday ging zu Miranda und legte einen Arm um sie. »Komm mit, wir unterhalten uns mal, okay?«
»Was machst du denn da?« Es war zwei Uhr morgens und Della kam in die Küche geschlurft.
Kylie schaute vom Computerbildschirm auf. »Ich benutze einen Vorschlaghammer, um mir ein Fenster zu machen.«
Della wich einen Schritt zurück. »Hattest du wieder einen deiner komischen Träume?«
Kylie lächelte. »Nein, ich schaue nur gerade nach, wie viele Brightens es in der Gegend von Dallas gibt.«
»Wie viele was?« Della ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen.
»Brightens. Der Nachname von meinem Vater war Brighten, und Mom hat gemeint, seine Eltern haben in Dallas gewohnt, als sie sich kennengelernt haben. Wenn Daniel mir schon nicht sagen kann, was ich bin, dann muss ich es eben selbst herausfinden.«
»Aber ich dachte … Hast du nicht gesagt, er war adoptiert?«
»Ja.« Kylie schaute angestrengt auf den Bildschirm. »Verdammt, es gibt über hundert Leute, die Brighten heißen in der Gegend um Dallas. Wer hätte gedacht, dass der Name so verbreitet ist?«
»Aber, wenn er doch adoptiert war, was hilft dir das dann überhaupt?« Della lehnte sich vor, um mit auf den Bildschirm schauen zu können.
»Vielleicht können sie mir ja helfen, seine leiblichen Eltern zu finden.«
»Bei dem Gespräch wäre ich gern Mäuschen. ›Hey, Oma und Opa, ich bin eure Enkelin, die ihr nie gekannt habt, aber eigentlich auch nicht richtig, weil mein Vater, der vor meiner Geburt gestorben ist, ja adoptiert war, und ihr seid mir auch ziemlich egal, ich will eigentlich nur wissen, wer meine echten Großeltern sind.‹«
Kylie sah Della missbilligend an. »Das ist nicht sehr hilfreich.«
»Ich sag doch nur, was ich denke.«
»Ich wäre dir dankbar, wenn du das für dich behalten würdest.« Kylie schloss die Augen und versuchte, sich einen letzten Funken Hoffnung zu bewahren. Tief in ihrem Inneren befürchtete sie, dass Della recht hatte. Die Wahrscheinlichkeit, die Brightens wirklich zu finden, ging fast gegen null. Sie dann noch dazu zu bringen, ihr etwas über Daniels leibliche Eltern zu sagen, wo sie ja nicht einmal wissen konnte, dass dieser adoptiert war … Tja, da brauchte es wohl etwas mehr als einen Vorschlaghammer, um das Fenster in die Wand zu schlagen.
»Hey.« Della gab ihr einen aufmunternden Klaps auf die Schulter. »Druck mal die Nummern aus, Miranda und ich helfen dir, sie durchzutelefonieren.«
Kylie schaute Della verwundert an. »Das würdet ihr tun?«
»Du hast mir immerhin dein Blut gegeben.«
»Ja, das stimmt.« Kylie drehte sich wieder zum Computer. Dann stellte sie sich vor, wie sie einen Vorschlaghammer über den Kopf hob und drückte auf den Drucken -Button.
»Lass mich los! Lass mich los!«
Zwei Tage später wurde Kylie von etwas aus dem Schlaf gerissen. Verwirrt, dass sie in ihrem eigenen Bett um sich schlug, öffnete sie die Augen. Über ihrem Gesicht kräuselte sich ihr Atem in weißen Dampfwölkchen. Die Kälte im Zimmer sagte ihr, dass es früher Morgen sein musste.
Sie zog sich die Decke bis unters Kinn und schloss wieder die Augen. Und plötzlich kam alles zurück. Der Traum, der sie hatte hochschrecken lassen.
Lass mich los! Lass
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