Shadow Falls Camp - Erwacht im Morgengrauen: Band 2 (German Edition)
reden, aber er hört mir einfach nicht zu. Dabei sieht er genauso unglücklich aus wie Miranda. Er reißt nicht einmal mehr seine blöden Witze. Della bekommt bald ihre Tage, hat also PMS und deshalb keine Geduld mit Miranda, die nur noch Eis essen und Perry hinterherjammern will.«
Kylie hielt kurz inne, um Luft zu holen, und fuhr dann in ihrem Laber-Flash fort: »Dabei ist Dellas eigentliches Problem gar nicht Miranda oder ihre Hormonschwankungen, sondern der Gedanke daran, am Elternwochenende nach Hause zu fahren und die Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Und Miranda – ich meine, auch wenn sie nicht gerade total depressiv ist, kann sie nicht mit Dellas Launen umgehen. Das heißt, im Moment fetzen sich die beiden nur noch. Sie drohen sich schon gegenseitig damit, Organe des anderen an Socke zu verfüttern. Ich glaube, Della hatte das mit Mirandas Leber vor und Miranda mit Dellas Herz. Also, um deine Frage zu beantworten … Nein, nichts ist okay.«
Holiday schaute von den Briefen hoch und kommentierte das Ganze nur mit einem Wort. »Interessant.«
»Was ist denn daran interessant?« Kylie hatte einen kurzen Flashback, wie sie bei Dr. Day, ihrer Therapeutin, in der Praxis gesessen hatte und analysiert wurde.
Holiday beschäftigte sich wieder mit der Post. »Einige Dinge, wenn du es genau wissen willst.« Sie nahm einen Brief vom Stapel und legte ihn separat auf den Tisch, ehe sie wieder Kylie ansah. »Wie wär’s, wenn wir damit anfangen, dass ich nicht gefragt hatte, wie es Miranda, Della oder Perry geht. Ich habe gefragt, wie es dir geht.«
»Also, bin ich jetzt ein Freak, nur weil ich mich um meine Freunde sorge?« Kylie war genervt. Und ja, sie bekam auch demnächst ihre Tage, es konnte also auch bei ihr an PMS liegen. Oder an den hundert anderen Problemen, die ihr im Nacken saßen.
»Ich hab doch gar nicht gesagt, dass du ein Freak bist.« Holidays sanfter, freundlicher Tonfall reizte Kylie noch mehr als die analytische Art ihrer Therapeutin. Vielleicht, weil sich Kylie dadurch weniger wie ein Freak und mehr wie eine miese Schlampe fühlte.
Holiday stützte ihr Kinn in eine Hand, eine Geste, die so typisch für sie war, dass in Kylies Vorstellung Holiday immer die Hand am Kinn hatte. »Ich wollte doch nur andeuten, dass du anscheinend deine eigenen Probleme hinter den Problemen der anderen zu verstecken versuchst.«
Kylie musste sich selbst eingestehen, dass sie nicht wegen Perry oder Miranda so früh am Morgen zum Büro gerannt war. Okay, vielleicht hatte Holiday ja irgendwie recht. Aber Kylie war noch nicht bereit, es offen zuzugeben.
»Und was, wenn ich einfach nur ein fürsorglicher Mensch bin?« Kylie rutschte auf dem Stuhl etwas tiefer und bereute es bereits, eingeschnappt zu sein. Holiday konnte schließlich nichts für Kylies Probleme, ganz im Gegenteil. Holidays und Kylies gutes Verhältnis war im Moment mit das einzige, das in Kylies Leben richtig zu laufen schien. Als ihr das klarwurde, setzte sie noch schnell ein entschuldigendes Lächeln auf.
»Fürsorglich? Oh, das bezweifle ich nicht.« Holiday grinste. »Also, versuchen wir es noch mal. Wie geht es dir , Kylie?«
Kylie setzte sich gerade hin und stellte die Ellenbogen auf dem Schreibtisch auf. »Wie viel Zeit hast du denn?«
»So viel Zeit wie du brauchst.« Holiday ließ ein paar Sekunden verstreichen und fragte dann unvermittelt: »Was ist denn da bei dir und Derek los?«
»Nichts. Warum?«
Holiday zog misstrauisch eine Augenbraue hoch. »Ich habe dich beobachtet, wie du gestern Mittag aus dem Speisesaal gehuscht bist, als er reingekommen ist und dann dasselbe Spiel noch mal beim Abendessen.«
»Ich wollte nur nicht mit ihm reden.« Das war die Wahrheit. Oder zumindest zum Teil. Andererseits wollte sie auch nicht, dass jemand, der die Fähigkeit hatte, ihre Gefühle zu lesen, oder ihre Hormone zu riechen, mitbekam, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Solange sie ihre unzüchtigen Gedanken nicht in Schach halten konnte, wollte sie es lieber vermeiden, Derek nahezukommen. Und, ja, früher oder später würde sie ihm das wohl erklären müssen. Sie dachte da eher an später.
»Also ist doch etwas los?«, hakte Holiday nach.
Kylie verschränkte die Arme vor der Brust. »Bilde ich mir das nur ein oder hast du mir gerade erst gesagt, ich sollte aufpassen, dass wir nicht …« Sie wollte es nicht aussprechen. »Du hast mich doch gewarnt, vorsichtig zu sein bei ihm. Und jetzt, wo ich vorsichtig bin, tust du so, als
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