Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht: Band 5 (German Edition)
denken, ich hätte einen Gehirntumor.«
Della sah sie mitleidig an. »Sie haben sogar Wetten abgeschlossen.«
»Ganz toll.« Kylie hielt inne. »Als Monique mich in der Toilette überrascht hat, hab ich versucht, mein Gehirnmuster zu ändern. Ich war aber nicht schnell genug. Sie hat dann auch so was gesagt, dass ich wahrscheinlich ’nen Tumor hab. Und ich meinte nur: ›Klar, das wird’s sein.‹« Kylie ließ ihren Löffel in die Schüssel fallen. »Die meisten Übernatürlichen wissen doch gar nicht, dass meine Art überhaupt existiert!«
Sogar Hayden versteckt seine Identität,
dachte Kylie weiter.
»Dann ist es vielleicht an der Zeit, dass du das änderst.« Della lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
»Was denn?«
»Na, du solltest dich outen. Du weißt schon, so wie … ›Ich bin schwul, und das ist auch gut so.‹ Du bräuchtest natürlich einen anderen Slogan, vielleicht: ›Ich bin ’ne Eidechse, und wenn dir das nicht passt, schick ich dir die Hexe.‹« Della kicherte. »Okay, daran müsstest du noch etwas feilen, aber du weißt, was ich meine, oder?«
»Das ist nicht lustig«, entgegnete Kylie mit gesenktem Blick.
»Ich weiß, so mein ich es ja auch nicht. Außer das mit dem Slogan vielleicht. Wenn du schon mit den Menschen nicht ehrlich sein kannst, solltest du es wenigstens bei den Übernatürlichen sein können.«
Kylie fuhr mit dem Finger über den Rand der Schüssel und dachte über Dellas Worte nach.
Sie hat recht,
sagte eine Stimme in ihrem Kopf. Dieselbe Stimme von vorher. Die, die immer in den seltsamsten Momenten auftauchte.
»Wer zur Hölle bist du?«, murmelte Kylie.
Della stutzte. »Okay, gerade erscheint mir die Sache mit dem Gehirntumor doch plausibel.«
»Ich meine doch nicht dich.«
Della riss die Augen auf. »Ist hier ein Geist?«
»Nein, kein Geist«, murmelte Kylie. »Nur eine Stimme.«
Della legte den Kopf schief. »Ich hab aber gar nichts gehört.«
»Hier drinnen.« Kylie zeigte auf ihren Kopf.
»Hast du mal was von Schizophrenie gehört?«, fragte Della mit ironischem Unterton, doch Kylie fand das auch nicht lustig.
»Ich bin nicht verrückt«, erwiderte Kylie.
Della grinste. »Selbst wenn du es wärst, würde ich dich noch mögen. Und wenn es nur dafür wäre, dass du mir so Sachen zeigst, wie die geniale Kombination von Blut und Schokolade.« Sie leerte ihr Glas.
Kylie starrte die leere Schüssel an, und sie überlegte fieberhaft, wie sie das mit dem Outen anstellen konnte. Sie hatte es zu ihrer Aufgabe erklärt, die anderen jungen Chamäleons aus ihrer Isolation zu befreien. Aber vielleicht musste sie vorher erst dafür sorgen, dass es sicher war, draußen zu leben. Vielleicht hatten Della und die nervige Stimme in ihrem Kopf ja recht. Wenn sie die übernatürliche Welt dazu bringen könnte, sie zu akzeptieren – so wie sie war –, dann könnten die anderen Chamäleons sich auch aus ihrem Versteck wagen.
Vielleicht musste ein Chamäleon es einfach wagen, damit die Art endlich als Teil der übernatürlichen Welt begriffen wurde. Chamäleons sollten sich nicht verstecken müssen.
Kylie war plötzlich aufgeregt. Das war ihre Aufgabe. Ihre neue Aufgabe oder vielleicht auch Teil ihrer alten. Und es fühlte sich richtig an.
Ja, sie musste nur noch einen Weg finden, sich zu outen.
In der Nacht erwachte Kylie von dem seltsamen Gefühl, dass jemand in ihrem Zimmer war. Sie spürte keine Kälte, Geisterbesuch konnte also schon mal ausgeschlossen werden. Noch bevor sie die Augen öffnete, stieg ihr der Duft von Rosen in die Nase. Tatsache, auf ihrem Nachttisch lag eine rote Rose.
Es gab nur eine Person, die ihr Rosen hinterließ.
Lucas?
Sofort wurde ihr das Herz schwer. Am Abend hatte sie noch wach gelegen und versucht, die Dinge zu akzeptieren. Ihn gehenzulassen. So sehr es auch schmerzte, sie konnte nicht zulassen, dass er sein Leben für sie zerstörte.
Sie atmete ein und lauschte. War er noch hier? Oder hatte er nur die Rose abgelegt und war wieder verschwunden? Sie bemerkte, dass der weiße Vorhang im Wind flatterte. Wenn er wieder gegangen wäre, hätte er sicherlich das Fenster zugeschoben.
Sie schloss die Augen, in der Hoffnung, dass er wieder gehen würde, wenn sie sich schlafend stellte.
»Ich weiß, dass du wach bist«, hörte sie seine Stimme aus der Dunkelheit.
»Und ich weiß, dass du nicht hier sein solltest.« Kylie schluckte. Sie drehte sich auf die Seite und zog die Knie an. Sie musste sich erst einen Moment sammeln, ehe sie bereit
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