Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht: Band 5 (German Edition)
ein Schreibtisch über ihrem Schoß befand, machte das Ganze noch seltsamer.
Andererseits, wieso wunderte sie sich überhaupt noch, in ihrem Leben war doch alles seltsam!
Kylie tastete vorsichtig nach dem Gegenstand, und ihre Finger trafen auf kühles Metall. Genau, wie sie vermutet hatte: Das Schwert war zurück.
Ein paar Plätze weiter räusperte sich jemand. Kylie blickte auf und sah Derek, der gerade Schattendienst hatte. Er formte lautlos die Worte:
Alles klar?
Offenbar hatte Derek ihren Gefühlsaufruhr bemerkt. Doch das Schwert schien er noch nicht entdeckt zu haben. Kylie nickte.
Ein paar Minuten später war die Stunde vorbei. Kylie vertiefte sich in ihre Notizen und machte keine Anstalten, das Klassenzimmer zu verlassen. Burnett wollte nicht, dass jemand etwas von dem Schwert erfuhr, und mitten im Physikunterricht eine Waffe zu ziehen, die aussah, als stammte sie aus einem Computerspiel, wäre da wohl nicht förderlich.
»Kylie, kommst du?«, fragte Derek von der Tür.
»Äh, nein, ich muss noch kurz mit Mr Yates reden. Ich komm gleich nach.« Kylie schielte zu Hayden rüber, der sie leicht beunruhigt ansah.
»Wieso wartest du nicht kurz draußen?«, meinte Hayden zu Derek.
Als Kylie zu Derek schaute, entdeckte sie Lucas, der hinter ihm in der Tür stand. Seine blauen Augen suchten ihren Blick, aber, verdammt, sie hatte wirklich gerade zu viel um die Ohren – oder genauer gesagt, ein Schwert auf dem Schoß –, um sich ihrem Liebeskummer hinzugeben. Trotzdem versetzte es ihr einen Stich, ihn so zu sehen – wie er sie voller Zuneigung anschaute. Widerwillig musste sie sich eingestehen, dass ein Teil von ihr immer noch gern an ihm und der Zeit, die sie miteinander hatten, festhalten wollte. Doch das wäre doch dumm, oder?
»Mach mal die Tür zu«, forderte Hayden Derek auf und ging dann zu seinem Schreibtisch.
Mach die Tür zu.
Haydens Worte blieben in ihrem Kopf hängen. Sie musste die Tür zu ihren Gefühlen für Lucas schließen. Aber wie?
»Was ist denn los?«, fragte Hayden.
Mein ganzes verdammtes Leben ist los.
Kylie schaute den Lehrer an und schob ihre Gedanken an Lucas beiseite. »Na ja, da liegt so ein Schwert auf meinen Beinen.«
»
Das
Schwert?«
Sie verzog das Gesicht. »Ich hab es mir noch nicht so genau angeschaut, aber ich geh mal davon aus, dass wir hier nur ein Schwert haben, das wie von Zauberhand auftaucht und all die Gesetze, die Sie uns hier beibringen, außer Kraft setzt.«
Hayden grinste und legte den Kopf schräg, um das Schwert sehen zu können. Dann meinte er: »Ja, physikalische Theorien sind leider völlig nutzlos, wenn Magie im Spiel ist.«
»Es ist
das
Schwert, nehme ich an?«, fragte Kylie.
Er nickte.
»Na toll.« Dann wurde ihr erst bewusst, was er gerade gesagt hatte. »Sie meinen, das ist Magie? Wie die Magie der Wicca-Hexen?«
»Oder etwas ähnlich Mächtiges«, erwiderte Hayden.
»Also, glauben Sie nicht, dass es Chamäleon-Kräfte sind?«
Er verzog den Mund. »Chamäleon-Kräfte sind ja zum Teil Wicca-Kräfte.«
»Ja, stimmt.« Kylie musste an ihre neueste Aufgabe denken. »Es verwirrt mich nur, wieso es dann so schlecht ist, wie wir zu sein.«
Hayden sah sie verdutzt an. »Es ist doch nicht schlecht, wie wir zu sein«, entgegnete er. »Hier, lass mich mal meinen Kapuzenpulli holen, darin können wir das einwickeln und mit ins Büro nehmen.«
Er ging zu dem kleinen Schrank hinter seinem Schreibtisch und holte seinen Pulli heraus. »Willst du es mir geben?«
Nein.
Sie wollte das Ding nicht anfassen, und sie wollte nicht, dass es auf ihrem Schoß lag.
Kylie fasste nach unten und umschloss vorsichtig den Griff des Schwertes mit den Händen. Dann zog sie es hervor. Noch ehe sie es ganz hochgehoben hatte, fing es wieder an zu glühen. Schnell ließ sie die Waffe in den Kapuzenpulli fallen und schaute Hayden dann fragend an. »Wenn es nicht schlecht ist, wie wir zu sein, wieso verbergen Sie dann Ihr wahres Muster? Sie tragen sogar oft den Kapuzenpulli, damit niemand Ihre Stirn sehen kann. Und wieso glauben die Ältesten, dass sie die jungen Leute verstecken müssen?«
»Ich verstecke mein Muster, weil die Leute uns oft mit Vorurteilen begegnen – nicht, weil es schlecht ist, Chamäleon zu sein.«
»Aber wäre es nicht besser, wenn man es gar nicht erst verstecken müsste? Wenn wir stolz darauf sein könnten – so wie die anderen auch?«
Er starrte geistesabwesend das Schwert an, als überlegte er, wie er es am besten einwickeln konnte.
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