Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht: Band 5 (German Edition)
sie amüsiert und kein bisschen eingeschüchtert. Offenbar war er so damit beschäftigt, sie zu quälen, dass er Derek nicht von der Seite kommen sah. Genauso wenig wie Kylie, die ihn sonst mit Sicherheit aufgehalten hätte. Sie musste verhindern, dass wieder jemand getötet wurde.
In dem Moment, als Derek mit Mario zusammenprallte, packte der alte Mann ihn an der Kehle. Kylie war sofort bei ihnen, getrieben von ihrem Wunsch nach Rache. Während sie eine Hand um Marios Hals legte, versuchte sie mit der anderen, Derek aus Marios Griff zu befreien. Sobald Derek sich losreißen konnte, benutzte sie beide Hände, um dem Abtrünnigen die Kehle zuzudrücken.
»Lass los!«
Sie hörte die Stimme im gleichen Moment, als sie auch die Geisterkälte spürte.
»Halt!«
Kylie ignorierte den Geist. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.
Hinter ihrem Rücken schnappte Derek mühsam nach Luft. Jetzt war Mario derjenige, der nicht atmen konnte. Sie spürte, wie sich die Sehnen an seinem Hals unter ihrem Würgegriff anspannten. Ihr Ziel war einfach. Ihn aufhalten. Ein für alle Mal. Sie musste nur ein bisschen fester zudrücken.
Sie könnte seine Luftröhre zerquetschen, wenn sie ein bisschen mehr Kraft aufwandte.
Sie könnte ihn dorthin schicken, wo er hingehörte.
In Gedanken war sie bei Ellie, die Mario viel zu jung von dieser Welt geholt hatte. Sie dachte an den Enkel des Mannes, der in dem Wissen gestorben war, dass sein eigener Großvater ihn getötet hatte.
Mario verdiente den Tod.
Ein seltsames Gefühl beschlich sie. Töten war nicht einfach. Nicht einmal, wenn derjenige es verdient hatte.
»Lass ihn los!«,
schrie der Geist.
»Du bist blind. Nichts ist so, wie du es siehst!«
Ihre Sehkraft war ausgezeichnet, danke! Sie verstärkte den Würgegriff um den Hals des Mannes und versuchte, sich davon zu überzeugen, dass sie es hier und jetzt beenden musste. Dereks rasselnder Atem war immer noch zu hören. Mario wedelte ziellos mit den Armen beim Versuch, irgendwo Halt zu finden. Am Leben zu bleiben.
Sie hörte, wie Derek mit heiserer Stimme ihren Namen rief, doch sie ignorierte ihn. Sie vergaß alles um sich herum. Sie war dabei, ein Leben zu nehmen.
Plötzlich bekam sie ein flaues Gefühl im Magen – so als ob etwas ganz furchtbar schiefging. Und da sah sie Mario. Er stand ein paar Meter von ihr entfernt und lächelte. Ihr stockte der Atem, und sie schaute blitzschnell zu dem Gesicht der Person, die sie gerade ersticken wollte.
Lucas.
Mario lachte schallend.
Panik durchflutete Kylie. Sie lockerte sofort den Griff um Lucas’ Hals. Er sackte leblos in sich zusammen. Kylie starrte Mario an.
Lucas bewegte sich am Boden. Tränen schossen ihr in die Augen, beim Gedanken daran, wie nah sie daran gewesen war, jemandem, den sie liebte, das Leben zu nehmen.
»Ich sollte dich jetzt eigentlich töten«, stellte Mario nüchtern fest, »aber es macht einfach zu viel Spaß dir zuzusehen, wie du leidest.«
Kylie fiel plötzlich selbst das Atmen schwer.
»Oh, er lebt. Doch wie lange wohl?« Marios Tonfall triefte vor boshafter Schadenfreude.
Kylie hatte keine Ahnung, wie Mario es geschafft hatte, mit Lucas den Platz zu tauschen, doch darauf kam es jetzt nicht an. Es kam darauf an, Mario aufzuhalten. Und wenn ihr nicht bald etwas einfiel, würde er sie fertigmachen. Und nicht nur sie.
Das Blut rauschte ihr in den Ohren, ihre Gedanken überschlugen sich. Die Luft vibrierte vor Spannung. Plötzlich regte sich eine furchtbare Angst in ihrer Magengrube.
Ihr Puls raste, als sie realisierte, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen konnte. Eine Sekunde lang akzeptierte sie die Niederlage und trauerte. Trauerte nicht um ihr Leben, aber um Dereks und Lucas’. Sie waren gekommen, um Kylie zu retten, jetzt würden sie es mit ihrem Leben bezahlen. Und sie würden sicherlich nicht die Letzten sein. Mario würde nicht aufhören.
Eine Stimme säuselte an ihrem Ohr, als hätte der Wind sie herangetragen.
Du bist nicht allein. Bitte um Hilfe, und du wirst sie erhalten.
Waren das die Todesengel? Kylie ließ Mario nicht aus den Augen und flehte stumm um Hilfe. Doch sie konnte nicht recht daran glauben. Tief in ihrem Herzen zweifelte sie. Wenn die Todesengel bereit waren, ihr zu helfen, wären sie dann nicht schon längst hier? Warum fühlte sie sich dann so allein, so schutzlos? Wieso hatten sie ihre Hilfe nicht angeboten, bevor sie fast einen ihrer Freunde getötet hätte?
Wie aus heiterem Himmel erinnerte sie sich an etwas, was
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