Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht: Band 5 (German Edition)
Holiday mal gesagt hatte.
Manchmal habe ich das Gefühl, alle Toten sind meine Todesengel.
Schnell schaute sie zu den Toten am Tor.
Kylie atmete auf.
Helft mir.
Sie dachte ganz fest an diese Worte.
Seid meine Todesengel.
Ein lautes Knarzen hallte durch die Dunkelheit. Langsam öffnete sich das rostige Tor. Dann strömten die Geister heraus. Es waren Hunderte: Männer, Frauen; Junge, Alte. Sie alle rannten auf Kylie zu, die Hände ausgestreckt, der Blick verschleiert. Doch diesmal flehten ihre Gesichter nicht um Hilfe, sondern sie wollten
ihr
helfen.
Die eisige Kälte, die ihre Anwesenheit mit sich brachte, schmerzte auf der Haut. Kylie hatte das Gefühl, nicht atmen zu können, so kalt war die Luft. Doch das war ihr egal, denn sie war nicht mehr allein. Das gab ihr Hoffnung. Hoffnung, an der sie sich festhalten konnte.
Marios altes, faltiges Gesicht war schmerzverzerrt. Vielleicht war es die Kälte, die ihm Schmerzen bereitete. Er warf den Kopf in den Nacken und brüllte. Rauch kräuselte sich aus seinem geöffneten Mund. Er japste nach Luft und machte einen Satz nach hinten.
Als ob ihm die Entfernung etwas Erleichterung verschafft hatte, sah er Kylie an. Sie zuckte mit den Augenbrauen, um sein Muster zu checken. Er war auf jeden Fall ein Chamäleon. Seltsamerweise war irgendetwas anders, wenn sie den Fokus leicht veränderte. Es kam ihr auf eine andere Art und Weise bekannt vor. Der Gedanke schien wichtig zu sein, doch ehe sie ihn greifen konnte, war er verschwunden.
»Du hast vielleicht dieses Mal gewonnen, aber meine Chance wird kommen«, rief er ihr zu. »Du wirst zu mir kommen, Kylie Galen, bereit zu leiden und zu sterben durch meine Hand, nur zu meinem Vergnügen. Du wirst mir nicht entkommen. Deine Schwäche wird dir zum Verhängnis werden!«
Ihre Schwäche? Was war denn ihre Schwäche? Kylie versuchte, darüber nachzudenken, doch ihr Kopf schwirrte. Deshalb blieb die Frage unbeantwortet.
Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Hoffnung. Sie hoffte, dass sie Lucas und Derek das Leben gerettet hatte. Und irgendwo in den Tiefen ihrer Seele wollte sie auch ihr eigenes Leben retten.
Die Geister umzingelten Mario und gingen auf ihn los. Ihre Absicht – Kylie zu beschützen – stand ihnen in die aschfahlen Gesichter geschrieben. Holiday hatte recht gehabt. Alle Geister waren irgendwie Todesengel – die Geister der Übernatürlichen zumindest. Geister, die dafür bekannt waren, die Unschuldigen zu beschützen und trotzdem von den meisten gefürchtet waren, weil sie diejenigen bestraften, die ihre Kräfte für falsche Zwecke missbrauchten. Kylie warf einen kurzen Blick auf das Friedhofstor und sah, wie noch mehr Phantome herausstolperten. Einige bewegten sich langsam und unsicher, als wären sie gerade aus einem langen Schlaf erwacht.
»Danke«, brachte Kylie hervor, obwohl ihre Zähne unkontrollierbar klapperten und die Anwesenheit von zu vielen Toten es schwierig machte, lebendig zu sein.
Als sich der Kreis der Toten enger zog, brüllte Mario wieder. Sein Schrei voller Enttäuschung und Schmerz war das Letzte, das Kylie hörte, ehe die eisige Geisterkälte sie übermannte. Ihre Lippen waren von Eis überzogen, alles verschwamm vor ihren Augen, und sie fühlte, wie sie in einer dunklen Spirale ins Nichts gezogen wurde.
8 . Kapitel
»Wir warten auf Burnett.«
»Wir sehen lieber zu, dass wir hier wegkommen!«
Dumpf drangen die Stimmen in Kylies Bewusstsein. Wer? Wieso auf Burnett warten? Fragen über Fragen türmten sich in ihrem verwirrten Kopf. Wo war sie? Wer hielt sie so fest?
Sie hörte ein rhythmisches Klopfen. Ein Herzschlag? Aber es war nicht ihr eigener. Die Wärme, die Hitze eines anderen Körpers an ihrem fühlte sich himmlisch an. Ihr war so kalt. Warum nur? Wenn sie sich nur genug konzentrierte, würde sie schon darauf kommen. Doch ein Teil von ihr wollte sich nicht konzentrieren, sondern einfach so bleiben. Unwissend, warm und sicher in den Armen von jemandem, der sie fest an sich gedrückt hielt.
Er hielt sie zärtlich.
Er hielt sie, als wäre sie ein Schatz.
»Wir können jetzt nicht gehen«, sagte die eine Stimme. Die etwas entferntere. Nicht die, die sie festhielt.
»Er könnte zurückkommen. Wir sollten verschwinden, solange die Luft rein ist.«
»Das sollten wir nicht tun. Du hast doch gesagt, Burnett ist unterwegs. Wir warten auf ihn.«
»Nur, weil du Angst hast …«
»Ich hab keine Angst, verdammt. Ich bin nur vernünftig. Kylie ist doch aus gutem Grund
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