Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
nach.
»Ja«, sagte Kylie. Sie war auf Della kein bisschen sauer, dass sie es verraten hatte. Sie kannte die beiden zwar erst seit ein paar Tagen, aber sie vertraute ihnen.
»Ätzend.« Miranda legte eine Hand auf Kylies Schulter und drückte sie sanft.
»Ja.« Kylie starrte wieder auf die E-Mail.
»Warum lassen sie sich scheiden?«, fragte Miranda.
»Ich weiß es nicht. Mom ist so …«
»Zickig.« Della warf das Wort in den Raum.
Kylie wollte nicken, stoppte sich aber noch. »Nein. Sie ist nicht wirklich eine Zicke, sie ist nur … kalt, distanziert. Ungefähr so warm wie ein Eisblock. Ich erinnere mich sogar daran, wie mein Dad ihr das mal gesagt hat vor einer Weile.«
»Also hat dein Dad eine andere«, stellte Della fest.
Kylie drehte sich zu ihr um und starrte Della an. »Nein.«
Della verzog das Gesicht. »Glaub mir, wenn er deiner Mom vorwirft, dass sie ein Eisblock ist, dann hat er schon längst etwas Junges und ›Warmes‹ gefunden, das er flachlegen kann.«
»So ist er nicht«, sagte Kylie mit Inbrunst. In dem Moment fiel ihr auf, dass sie über ihre Mutter gesagt hatte, sie sei kalt.
»Und mit kalt meine ich … emotional kalt, nicht –«
»Ich weiß«, sagte Della. »Du brauchst mich jetzt nicht mit Samthandschuhen anzufassen.« Ihre Augen sagten jedoch etwas anderes.
Kylie kannte sich darin aus, cooler erscheinen zu wollen, als man war. Sie hatte in den letzten Wochen einen Crashkurs durchlaufen.
Kylie schaute wieder auf den Bildschirm. »Mom ist einfach … Es ist manchmal schwer, mit ihr auszukommen. Ich kann es meinem Dad nicht verübeln, dass er gegangen ist.«
»Also wirst du bei deinem Dad wohnen?« fragte Miranda. Die Frage versetzte Kylie zurück an den Tag, an dem sie in der Einfahrt gestanden hatte und ihren Dad angefleht hatte, sie mitzunehmen. Sosehr die Erinnerung sie auch schmerzte – an dem Tag hatte es sich so angefühlt, als hätte er nicht nur entschieden, ihre Mutter zu verlassen, sondern auch sie.
»Es ist spät, und ich bin müde.« Kylie stand auf und ging in ihr Schlafzimmer. Im Gegensatz zu vorher war sie nun doch in der Lage, zu heulen.
Am nächsten Morgen marschierte Kylie zu ihrem Treffen mit Holiday und pfefferte ihr einen Ausdruck der E-Mail ihrer Mutter auf den Tisch.
»Siehst du, ich habe es dir doch gesagt«, rief Kylie. »Also vielleicht kannst du jetzt einfach meine Therapeutin anrufen und ihr sagen, dass sie meine Mutter anrufen soll, damit sie mich nach Hause holt.«
Der Gedanke daran, nach Hause zu gehen, war längst nicht mehr so lebenswichtig wie noch vor ein paar Tagen. Ein kleiner Teil von ihr wollte sogar lieber bleiben – aber wenn sie wirklich nicht übernatürlich war, gehörte sie hier einfach nicht her.
»Was ist das?« Holiday schaute den Zettel an, und ihre Augen wurden groß, während sie las. Als sie nach oben schaute, begegnete sie Kylies Blick. »Okay, ich gebe zu, ich bin überrascht, aber das ändert nicht wirklich etwas an den Tatsachen.«
»Warum nicht? Du hast mir gesagt, dass es nur in seltenen Fällen eine Generation überspringt.«
»Was ist mit der Tatsache, dass du Geister siehst? Dass du um Mitternacht geboren bist? Oder dass dein Gehirnmuster sich von dem eines normalen Menschen unterscheidet?«
Kylie ließ sich auf den Stuhl gegenüber fallen. »Ich könnte auch verrückt sein. Oder, wie du neulich gesagt hast, nur ein Freak, aber menschlicher Natur, dem energiegeladene Geister erscheinen.«
Holiday nickte und lehnte sich dann nach vorn. »Oder … vielleicht sind deine Eltern gar nicht deine richtigen Eltern …«
Kylies Mund klappte auf. »Glaub mir, mit dem ganzen Mist, der bei uns zu Hause gerade los ist, würde ich nur zu gern glauben, dass ich adoptiert wurde, aber ich hab Fotos von meiner Mutter gesehen, auf denen sie schwanger war.«
Holiday öffnete den Mund, als wollte sie darüber diskutieren, schüttelte dann aber den Kopf. »Wie schon gesagt, das alles herauszufinden, ist deine Aufgabe.«
» War meine Aufgabe. Ich habe sie erfüllt. Ich habe die Antwort gefunden. Ich bin nur ein Mensch.«
Holiday stützte den rechten Ellenbogen auf den Tisch und stützte das Kinn auf der Handfläche ab. Kylie nahm inzwischen an, dass es zum typischen Verhaltensmuster der Campleiterin gehörte, denn sie schien es immer dann zu machen, wenn sie eine ihrer »Ist es wirklich das, was du fühlst«-Ansprachen begann.
Es erinnerte sie an ihre Therapeutin, MrsDay, die ziemlich genau dasselbe tat, allerdings
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