Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
Höllenangst. Daher beschloss sie, sich von dem Gedanken, die Wasserfälle zu sehen, zu lösen. Sie hatte auch genug andere Sachen, auf die sie sich konzentrieren konnte. Sachen wie Miranda und Dellas ständiges Gezanke. Sie stritten sich weiterhin mindestens einmal pro Tag. Und Kylie ging weiterhin dazwischen, bevor sie sich noch gegenseitig töteten.
Kylie telefonierte jeden Morgen und jeden Abend mit ihrer Mutter. Wenn Kylie sie nicht von sich aus anrief, dann rief ihre Mutter sie auf jeden Fall an. Die Tatsache, dass ihre Mutter sie so oft anrief, machte ihr noch deutlicher, dass es ihr Vater nicht tat. Sie redete sich ein, dass es etwas Männliches war und die meisten Männer nicht anriefen, außer sie hatten etwas Wichtiges zu sagen.
Außerdem würde sie ihn ja am Sonntag sehen, also morgen. Als sie es ihrer Mutter erzählt hatte, schien diese darüber traurig zu sein. Dabei war sie es doch gewesen, die Kylie gesagt hatte, sie sollte ihn fragen, ob er kommt.
Und Kylie war froh, dass sie es getan hatte. Sie wollte – musste – ihren Dad wirklich sehen. Und aus irgendeinem Grund, wahrscheinlich, weil sie ihn so sehr vermisste, war sie jeden Tag ein bisschen mehr dazu bereit, ihm zu verzeihen. Hoffentlich würde ihr Dad sie bis morgen auch so sehr vermissen, dass er zustimmen würde, wenn Kylie ihn fragte, ob sie bei ihm leben könnte – also wenn das Camp in zwei Wochen für sie vorbei war.
Kylie hatte gerade eine ganze Stunde damit zugebracht, mit Sara zu reden und SMS zu schreiben. Sara hatte den Schwangerschaftsschock erstaunlich gut überstanden und war jetzt wieder ganz die Alte. Sie hatte einen neuen Freund – den 19-jährigen Cousin eines Nachbarn.
Wenn Kylie Saras Anspielungen richtig verstand, würden die beiden in naher Zukunft Sex haben. Kylie war nahe dran gewesen, ihre Freundin daran zu erinnern, was sie gerade erst durchgemacht hatte, aber überlegte es sich im letzten Moment doch noch anders. Wahrscheinlich hätte das nur dazu geführt, dass sich ihre beste Freundin noch weiter von ihr entfernt hätte.
Sara war noch nie gut darin gewesen, Ratschläge anzunehmen.
Trey hatte zweimal angerufen – mit unverändertem Text: Er liebte sie, es tat ihm leid. Wenn sie ihm nur noch eine Chance geben würde, würde er ihr beweisen, wie sehr er sie liebte.
Kylie war sich ziemlich sicher, dass der »Beweis« beinhaltete, dass sie sich auszogen. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr war sie geneigt, ihre Kleider anzubehalten. Sie hatte Trey ja sogar gefragt, ob sie für den Sommer nur Freunde sein konnten. Aber dann war er ausgeflippt, als sie den Namen eines anderen genannt hatte. Was würde er erst tun, wenn sie beschloss, dass sie darüber hinweg war und mit einem anderen ausging? Vollkommen durchdrehen, wahrscheinlich.
Warum konnte Trey nicht ein bisschen mehr wie Derek sein? Ihn hatte sie auch gefragt, ob sie nur Freunde sein könnten. Er hatte ihr dann nur gesagt, dass er sie schon gern geküsst hätte, war ihr aber nicht mehr zu nahe gekommen.
Ja, Derek war echt nett. Er redete immer mit ihr, fragte sie sogar nach ihren Problemen mit ihren Eltern. Sie sprachen auch über Holidays negative Reaktion darauf, dass sie beide ihre Gabe gern ausschalten würden. Meistens kam er auch bei einer Mahlzeit zu ihr, um beim Essen neben ihr zu sitzen. Trotzdem wirkte sein Verhalten nur freundschaftlich.
Wenn sie in seine goldgesprenkelten Augen sah, war dort kein heißes Verlangen mehr.
Kein besonderes Lächeln mehr.
Kein Atem in ihrem Nacken.
Keine Berührungen.
Auch wenn er neben ihr saß, schien er darauf zu achten, dass immer ein entsprechend großer Abstand zwischen ihnen war.
Die Tatsache, dass sie ihn ab und zu mit anderen Mädchen Schulter an Schulter sitzen sah, schmerzte wie ein Wespenstich.
Sie ignorierte das Stechen und sagte sich, dass es so das Beste war. Sie fuhr schon in weniger als zwei Woche nach Hause. Und wenn man mal ehrlich war, so war das Beste meistens nicht das Spaßigste.
So war es auch mit dem Meditierenlernen und dem Versuch, den Schalter zum Ausschalten der Geister zu finden. Die Aufgabe hatte sich zu einer gefürchteten Tagespflicht verwandelt. Holiday ließ sie dreimal am Tag antanzen. Sie hatten es mit Räucherstäbchen versucht, mit Zählen, Musik und sogar Visualisierung, aber nichts schien zu helfen. Kylies Gehirn weigerte sich, in einen anderen Zustand hinüberzuwechseln.
Holiday blieb dennoch immer hoffnungsvoll. Kylie allerdings eher weniger.
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