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Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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äußeren Umrisse seines Gesichts wahr. Seine Erscheinung war die eines jungen Mannes von vielleicht zweiunddreißig Jahren. Nur seine Augen waren alt. Sie fragte sich schwach, wie es wäre, ihn lächeln zu sehen.
    Während sich ihre Atmung verlangsamte und sie dem Vergessen entgegendriftete, flüsterte er: »Verdammt noch mal.«
    Der Zug stand schnaufend am Bahnsteig. Obwohl es mitten am Vormittag war, war der Himmel unter einer dicken Wolkendecke trüb grau.
    »Sie ist noch nicht erwacht?«, erkundigte sich Rourke, während er durch den Mittelgang des leeren Waggons schlenderte.
    Tres spähte durch den Ritz in der Tür und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, nicht.«
    Rourke drängte sich in den schmalen Raum.
    Selene lag halb zurückgelehnt auf dem Bett, den Kopf auf einem runden, bauschigen Kissen zur Seite geneigt. An irgendeinem Punkt in der Nacht war sie lange genug erwacht, um ihre maßgeschneiderte Jacke auszuziehen. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen, und sie sah noch jünger aus als gewöhnlich. Verlangen durchzuckte ihn. Er hatte noch niemals etwas so Reizvolles gesehen wie die Gräfin in der vergangenen Nacht, als sie ihm gegenüber draußen auf der Plattform des Zugs gestanden und eine seiner Zigarren an die Lippen gehoben hatte. Gott sei gedankt für Shrew und Tres. Ihre Gesellschaft lieferte einen notwendigen Puffer, um der Versuchung zu widerstehen.
    »Gräfin.« Er umfasste sie an den Schultern und schüttelte sie sanft, aber entschieden. »Wachen Sie auf.«
    Sie erwachte nicht.
    Es kam einfach nicht infrage, eine bewusstlose Frau aus dem Zug zu tragen, vor den Augen von Dutzenden von Zuschauern. Sie würden zu viel Aufmerksamkeit erregen und wahrscheinlich von den lokalen Behörden befragt werden.
    Von der Tür aus verkündete Tres: »Der Schaffner ist fast fertig mit dem angrenzenden Waggon. Er wird gleich in diesen kommen.«
    »Sie werden mich decken müssen.«
    Shrew sagte: »Ich habe auch nichts dagegen, sie zu tragen. Das heißt, wenn Sie es so wollen.«
    Tres grinste seinen Bruder an.
    Shrew erwiderte: »Nun, es macht mir nichts aus. Denn ich halte sie nicht für schuldig.«
    »Hören Sie auf zu streiten«, knurrte Rourke. »Und tun Sie, was ich Ihnen befohlen habe.«
    Er beugte sich vor und nahm sie auf den Arm. Ihre Röcke hingen über seinen Ellbogen, und ein Stück weiße Spitze von ihrem Unterrock lugte hervor, zusammen mit zwei schmalen Knöcheln und spitzen, schwarzen Schuhen. Ihr Kopf rollte an seine Schulter, und sie atmete aus.
    Shrew und Tres verschwanden. Obwohl nicht länger sichtbar, blieben sie in der Nähe und verteilten sich in Schattengestalt um ihn und die schlafende Gräfin herum. Sie absorbierten
und
lenkten das Licht, und indem sie das taten, formten sie einen Umhang der Unsichtbarkeit.
    Rourke trug sie zur Treppe und auf den hölzernen Bahnsteig. Das große Schild oben verkündete, dass sie sich gegenwärtig in York aufhielten. Er bahnte sich einen Weg durch das dichte Gedränge von Fahrgästen, die darauf warteten einzusteigen, und jene, die mit ihnen gekommen waren, um sie auf dem Bahnhof zu verabschieden. Durch den Schutz der Brüder konnte niemand sie sehen, aber mehr als eine Person in ihrem Weg drehte sich nach ihnen um, verwirrt darüber, von nichts als leerer Luft berührt zu werden.
    Männer mit Zylindern und Frauen, die schickliches Schwarz trugen, winkten Verwandten zu, hießen sie willkommen oder zerrten Koffer in die bereits leeren Waggons. Eine große Stadtkutsche hielt am Straßenrand, ihre Größe, die auf Hochglanz polierte dunkelgrüne Farbe und die Tatsache, dass vier Wallache angespannt waren, unterschied sie von den anderen staubigen Kutschen, die dort warteten.
    »Ich hoffe, sie findet Euren Gefallen, Sir«, sagte Shrew, so stolz, als gehöre die Kutsche ihm.
    »Gut gemacht«, antwortete Rourke.
    Obwohl die Raben in London eine Anzahl von Gefährten zu ihrer Verfügung hatten, hatte Rourke persönlich seit Jahrhunderten keins mehr besessen. Es war einfach nicht notwendig gewesen. Er hatte Assassine, und die Organisation stattete ihn darüber hinaus mit allen nötigen Verkehrsmitteln aus. Aber die Notwendigkeit einer Privatsphäre im Hinblick auf die Gräfin hatte ihn dazu gezwungen, Shrew gleich nach ihrer Ankunft in York auszuschicken, eine Kutsche und Pferde für den restlichen Weg nach Swarthwick zu kaufen. Zwei Ersatzpferde waren hinten an die Kutsche gebunden.
    Das Treppchen glänzte silbern und neu. Er stieg hinauf und bückte sich,

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