Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
Nachttisch. Dort befand sich inmitten ihrer Bücher, ihrer Haarbürsten und ihres Parfums eine einzelne schwarze Lotusblüte, ein purpurnes Band war um ihren dicken grünen Stiel gewickelt.
Sie nahm die Blüte in die Hand und rauschte aus dem Zimmer. Die Küche war leer, bis auf den köstlichen Duft von dem, was auch immer über dem Feuer siedete. Sie ging zu den Mädchen, als sie den hinteren Innenhof durchquerten, auf ihren Armen türmte sich ihr ererbter Prunkstaat. »Kate! Hannah! Ich habe eine Frage!«
»Ja«, antwortete Hannah.
»Habt ihr beide diese Blume in meinem Zimmer gelassen?«
»Ja«, sagte Kate. »Sie ist sehr hübsch. Mr Leeson meinte, er habe sie den ganzen Weg von London mitgebracht.«
Leeson.
Ihre Kehle schnürte sich zu, als sie begriff.
»Wisst ihr, wo sich Mr Leeson gegenwärtig aufhält?«, erkundigte sie sich.
»Als wir ihn das letzte Mal gesehen haben, war er auf der Anhöhe und hat mit Nathan Teppiche ausgeklopft.«
»Danke, Mädchen.« Selene ließ sie stehen und ging, die Blüte immer noch in der Hand, um die Hausecke und die Anhöhe hinauf. Wie angekündigt fand sie Leeson und Nathan, wie sie Teppiche ausklopften, die über einem Seil hingen. Beide arbeiteten mit Teppichklopfern aus Holz, die mit Draht bespannt waren.
»So ist es richtig.« Leeson kicherte. »Schlag noch einmal drauf! Wir werden noch einen siegreichen Kricketspieler aus dir machen!«
Nathan lachte und drosch auf den Teppich ein. Eine Staubwolke stob heraus. Er hustete.
»Mr Leeson.« Herrisch verkündete Selene ihre Anwesenheit.
Er drehte sich um, und sein Auge tränte. Er hüstelte und rieb sich den Staub heraus.
»Mach weiter, Junge; ich bin gleich wieder da.« In Erwartung eines Zornausbruchs ging er auf Selene zu, und sein Blick wanderte zu der Blüte, die sie in der Hand hielt.
»Ja, Euer Gnaden?«
»
Sie.
«
»Ich, was?«
Sie wurde weich. Schmolz. »Sie haben mir die Lotusblüten dagelassen. Die in London und jetzt die heute.«
Er zuckte die Achseln. »Die Mädchen …«
»Nein,
Sie
.«
»Ja, ich«, gestand er und lief dunkelrot an.
»Wie soll ich Sie jetzt noch verachten?«
»Sie können das immer noch einfach … aufgeben«, meinte er hoffnungsvoll. »Ich muss auch sagen, dass irgendetwas auf dem Land … oder von der Transzendierung … Euch gut zu bekommen scheint.« Er lachte leise. »Was die Transzendierung betrifft, scherze ich natürlich nur. Ich glaube ehrlich, dass Lady Blacks Serum Euch davon kuriert hat. Denkt Ihr nicht auch?«
»Doch«, antwortete sie leise. »Sie müssen Ihre Meinung zu diesem Thema den Ahnen übermitteln, wenn Sie das nächste Mal an dem Gerät sitzen. Ich wünsche mir so sehr, nach London zurückzukehren.«
»Das werde ich tun.« Er nickte und spähte zu ihr empor. »Versprochen.«
Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. Sein stachliger Schnurrbart kitzelte sie an ihren Fingern. Seine Augen weiteten sich, als sie sich über ihn beugte und einen Kuss auf die Mitte seiner Stirn drückte, über der das Haar schütter war. »Ich habe den Verdacht, dass ich Sie immer schon angehimmelt habe. Ich wusste es nur nicht.«
Ein glückseliges Lächeln breitete sich auf seinen alten Zügen aus und fältelte die Haut in seinen Augenwinkeln. »Das ist der Unterschied. Ich habe schon immer gewusst, dass ich Sie anhimmele. Sie waren einfach nicht die Richtige für Lord Black und er nicht der Passende für Sie.«
»Vielleicht sind
Sie
der Mann für mich«, deutete sie verschlagen an, aber das Bild von Rourkes strengem Gesicht blitzte vor ihrem geistigen Auge auf.
»Ach herrje, Gräfin.« Er drückte ihre Hände, wo sie noch immer auf seinen Wangen lagen, und seine Röte vertiefte sich zu einem dunklen Scharlachton. »Wenn das nur wahr wäre.«
Der nächste Tag verging in einer ereignislosen Aneinanderreihung von Aktivitäten. Mit Leeson im Haus und Nathan, Kate und Hannah wurde es leichter, Rourke aus dem Weg zu gehen, ebenso wie es für ihn leichter wurde, ihr aus dem Weg zu gehen. Sie vertrieb sich die Zeit mit den Mädchen, machte einen Spaziergang und antwortete auf jede Frage, die sie über die Welt und Pariser Mode und Bücher hatten.
Rourke seinerseits leistete Nathan und Leeson Gesellschaft. Sie reparierten den ganzen Tag irgendetwas an der Burg. Hämmerten, kitteten und sägten. Tagsüber war sie ziemlich zuversichtlich, dass sie ihre restliche Zeit auf Swarthwick überstehen konnte, ohne dass ihr das Herz gebrochen wurde. Nur die Nacht war schwierig, als
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