Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Ahnen, die das Innere Reich und die Schattenwächter regierten. Ihre Aufgabe war es, die zerbrechlichen Grenzen dieser Domäne der Unsterblichen zu schützen. »Steht diese Seele kurz vor der Transzendenz?«
Nur vollkommen transzendierte Seelen besaßen die Fähigkeit, von der sterblichen Welt in das Innere Reich zu gelangen und dessen unsterbliche Bewohner mit Zerstörung und Mord zu überziehen. Die Schattenwächter verhinderten dergleichen. Bis gestern Nacht hatte Archer diese besondere Seele, die nach Transzendenz strebte, als Herausforderung für seine Fähigkeiten als Schattenwächter empfunden.
»Die Spur ist unverkennbar, verliert sich aber leicht in der dichten Bevölkerung und dem Durcheinander dieser Stadt. Nachdem ich erst gestern eingetroffen bin, hätte ich gern mehr Zeit, um mir ein Bild über das wahre Ausmaß der Verkommenheit dieser Seele zu machen.«
»Lass ihr keine Gelegenheit, die Grenzen zu überschreiten.«
Archer zog die Brauen hoch. »Meine Ehre würde es nicht zulassen.«
Archer starrte in die Flammen. Niemals hatte er irgendeine Art von Tadel von den Ahnen zu hören bekommen, wie geringfügig auch immer, und die Worte trafen ihn.
»Uralter …« Die Stimme wurde bereits schwach. Schon bald würde sich das Portal schließen.
»Ja?«
»Das Mädchen.«
Diese beiden Worte offenbarten alles. Trotz der Bemühungen, seine Indiskretion für sich zu behalten, wussten die Ahnen von Elena. Aber woher? Mark?
Die Ahnen würden nicht erlauben, dass ihr mächtigster Krieger von seiner ewigen Bestimmung abgelenkt wurde. Sie handelten nicht aus Bosheit, aber mit der emotionslosen Präzision, die sie als Regenten einer bedrohten Welt benötigten. Wenn sie glaubten, dass Elena ein Hindernis für ihn war, konnten sie entscheiden, ihrer Existenz ein Ende zu machen.
»Sie ist keine Ablenkung.«
»Sorg dafür, dass es tatsächlich so ist.«
6
Die purpurnen Flammen züngelten hoch und nahmen wieder einen orangefarbenen Ton an. Wieder versengte Hitze seine Haut. Archer stieß den Stuhl ein Stück zurück und rieb sich die Stirn.
Immer eins nach dem anderen. Er würde der gegenwärtigen Krise nicht seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken können, ehe er sich nicht um Elena gekümmert hatte. Verdammt, aber es widerstrebte ihm, ihr wehzutun.
Er hätte von Anfang an ein Mistkerl sein sollen. Je eher diese Farce von einer Vormundschaft endete, umso besser für alle Beteiligten. Er ging über den Teppich und riss die Tür auf. Dann stolzierte er in den Flur, um seine unglückliche Mission zu beginnen.
Genau in diesem Moment wurden die hohen Eingangstüren geöffnet, und Selene rauschte herein und schenkte dem Diener ihr verheerendes Lächeln. Der junge Mann starrte sie an, benommen von ihrer Verwegenheit, bis er seinen stirnrunzelnden Arbeitgeber sah. Mit einer schnellen Neigung des Kopfs nahm er eilends den Umhang entgegen, den sie ihm reichte, und verschwand in der Dunkelheit am Ende der Halle.
»Warum bist du nach Black House zurückgekehrt?«
»Warum wohl?«, antwortete sie trocken, und ihre Augen wurden schmal. »Um dich auszuspionieren. Außerdem weißt du, dass mein Bruder Aufenthaltsorte ohne jeden Komfort bevorzugt. Ich will ein heißes Bad. Ich rieche nach Tod. Ich habe außerdem die letzten beiden Stunden damit verbracht, einen Arm zu untersuchen.«
»Einen Arm? «
»Es scheint, dass mein Themsemörder wieder in Stimmung ist, Menschen zu zerstückeln.«
Mit dieser Feststellung eilte sie mit wehenden Röcken die Treppe hinauf.
Genau in diesem Moment kam Mr Jarvis durch eine Tür unter der Treppe. Er hielt zwei kleine Tischlampen in den Händen, die er zuvor mit Öl aufgefüllt hatte.
»Mr Jarvis.«
»Ja, Euer Gnaden.«
»Sagt bitte Mrs Hazelgreaves, dass ich sie so bald wie möglich in meinem Arbeitszimmer sprechen möchte.«
»Sofort.«
Archer kehrte an seinen Schreibtisch zurück, riss Leesons Ledermappe an sich, stöberte einige Augenblicke darin und ließ sich dann mit einer Handvoll der Novellen an seinem Schreibtisch nieder.
»Ms Whitney?«
»Oh …« Porzellan klirrte gegen Porzellan, als Elenas Tasse auf den Unterteller glitt. Sie hob die Tasse sofort wieder hoch, um festzustellen, ob sie eins der beiden Teile beschädigt hatte. Dabei verschüttete sie schwarzen Kaffee auf das makellos weiße Tischtuch.
Sie saß in dem riesigen Frühstückszimmer. Lebensgroße Statuen von griechischen Göttern und Göttinnen – Gott allein wusste, welche es waren – standen auf
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