Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Armen und fuhr ihm mit der Hand ins Haar.
»Ja«, wisperte sie, bewegte die Beine, die Schenkel, lud ihn ein, näher zu kommen.
»Elena.«
Suchend betastete sie mit den Lippen sein Kinn. Er presste seinen Mund auf ihren und wagte es, das Innere mit seiner Zunge zu erkunden. Seine Hand bewegte sich zu ihrer Brust. Sie seufzte abermals und stöhnte leise.
Plötzlich erstarrte sie, und mit einem Aufschrei stieß sie ihre Fäuste durch seine schnell wieder in Schatten verwandelte Gestalt.
»Archer!«, keuchte sie und richtete sich im Bett auf.
Er zog sich in die gegenüberliegende Ecke des Raumes zurück. Sein Puls hämmerte. Ihr Haar fiel ihr wirr über die Schultern, und sie riss das Laken an die Brust. Ihre atemberaubenden Augen, weit offen und wach, starrten eindringlich auf die Stelle, wo er eben noch gewesen war. Hatte sie ihn gesehen?
Zaghaft berührte sie ihre schwellenden Lippen.
Nach einem langen Augenblick seufzte sie leise und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Sie ließ sich auf den Ellbogen herunter, dann sackte sie in die Kissen.
Selbst jetzt noch wollte er sie. Er rang mit seinem Verlangen, so primitiv und ausschweifend, dass er sich dafür verachtete. Sie war alles, was er wollte, alles Schöne und Unschuldige und Gute.
Und alles, was er niemals haben konnte.
Mit einem stummen, zornigen Brüllen drehte er sich in sich selbst und entfloh durch den schmalen Ritz unter ihrer Tür.
Drei Stunden später grübelte Archer am Fenster seines Arbeitszimmers, die Stimmung schwarz wie ein Grab. In der letzten Nacht hatte er versagt, vernichtend versagt, in jeder Hinsicht. Und das nach Jahrhunderten der Vollkommenheit.
Im Garten flatterten kleine Vögel von Zweig zu Zweig. Dicke Wolken zogen über den Himmel. Von der Halle her waren die geschäftigen Schritte der Diener zu hören, die hin und her eilten, um ihre morgendlichen Pflichten zu versehen. Die Erde drehte sich weiter. Das Leben ging weiter.
Nicht seins.
Wer wird mich jetzt noch fangen? Du hast es nicht getan, Schattenwächter.
Eine Verhöhnung, geschaffen von seinem eigenen gequälten Gewissen, aber an diesem Punkt spielte es nicht wirklich eine Rolle. Jede Faser seines Seins verlangte Rache. Er ergriff die Vorhänge, zog sie zusammen und tauchte den Raum in Dunkelheit.
Anders als in der Nacht zuvor war sein Verstand kristallklar; er war zu seiner perfekten, kalten Berechnung zurückgekehrt. Archer erlaubte sich nicht, irgendwelche nachvollziehbaren Gründe für die wundersame Erholung Elenas zu erfinden und dafür, was in ihrem Raum geschehen war und was er später in der dämmrigen Privatsphäre seines Zimmers, die Augen vor der Realität verschließend, in seinen Fantasien ausgelebt hatte.
Elena. Verflucht, er konnte nicht glauben, dass er in ihr Zimmer gegangen war. Er rieb sich die Stirn und versuchte, die sinnlichen Erinnerungen zu verbannen. Sie hatte ihm nichts gezeigt als Bewunderung und Vertrauen, und er hatte sie hintergangen.
Er betrachtete das zusammengefaltete Pergament auf seinem Schreibtisch und das dreieckige, schwarze Siegel, das er erst eine Stunde zuvor erbrochen hatte. Er konnte eine Reaktion auf die Ladung des Gerichts nicht länger hinausschieben.
Ein Feuer knisterte in der Mitte des gewaltigen Kamins, der von uralten, mit roten und schwarzen Lotusblumen bemalten Terrakottafliesen eingerahmt war… Er schwang seinen Schreibtischstuhl herum und zog ihn so dicht an die sengende Hitze, wie es möglich war, ohne das Polster in Brand zu stecken. Dann setzte er sich, starrte in die orangefarbenen und roten Flammen und stellte sich vor, selbst dort zu brennen, als Buße für alles, was er im Laufe seiner Existenz getan und versäumt hatte. Er schloss die Augen und verbannte alle Gedanken aus seinem Geist.
Schon bald nahmen die Flammen eine purpurne Färbung an, und ein leises Summen breitete sich im Raum aus. Eine Stimme erklang – drei deutliche Töne, zu einem verbunden. Die Hitze wurde kalt wie Frost, und ein zunächst undeutliches Bild von einem Gesicht nahm in den Flammen Gestalt an.
»Zwei weitere Gräueltaten …« Die Stimme spottete nicht; sie stellte lediglich eine Tatsache fest.
Trotzdem schlossen sich Archers Hände um die dicken, hölzernen Armlehnen, als sei er ein Junge, der in das Büro des Schulmeisters gerufen worden war, um getadelt zu werden.
»Die Seele hat sich mir entzogen. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Das Gesicht verschwamm, seine Züge wechselten rasch zwischen denen der drei
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