Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Podesten in korinthischem Stil und unterteilten kunstvoll die breite Fensterfront. Silberne Schalen dampften auf einem großen Mahagonibuffet, und der Duft von Würstchen und Bücklingen wehte durch den Raum. Normalerweise frühstückte sie mit Mrs Hazelgreaves, aber die ältere Dame war noch nicht heruntergekommen. Hoffentlich war sie nicht noch immer mit den »skandalösen« Ereignissen der vergangenen Nacht beschäftigt. Mrs Hazelgreaves konnte scheußlich grollen.
»Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte Mr Jarvis, der unter dem Türbogen stand.
»Das ist ganz allein meine Schuld.« Sie tupfte das Tischtuch mit einer Serviette ab. »Ich war so versunken in die Morgenzeitungen.«
Zeitungen waren eins ihrer Laster. Jeden Morgen brütete sie über einem ganzen Stapel davon: der Times, der Pall Mall Gazette, Lloyd’s, und Reynolds. Weil sie Donnerstag- und Freitagnacht im Wohnheim des Hospitals geschlafen hatte, war einiges ungelesen geblieben. Sie las nicht gern in der verkehrten Reihenfolge, daher hatte sie die Sonntagszeitungen dieses Morgens unter den Stapel geschoben. Und zwar, ohne ihnen auch nur einen flüchtigen Blick zu widmen – sie war noch viel zu beschäftigt mit dem bruchstückhaften Traum von Lord Black aus der vergangenen Nacht. Allein bei der Erinnerung stieg wieder Röte in ihre Wangen.
Sie hatte seine Lordschaft an diesem Morgen nicht gesehen und hoffte, dass sie ihre Nerven unter Kontrolle bekommen konnte, bevor …
»Lord Black bittet Sie, sich in seinem Arbeitszimmer einzufinden.«
Sie stieß ihre Tasse um. Kaffee lief auf den Tisch und tränkte die Ränder mehrerer Zeitungen, bevor sie sie an sich reißen konnte.
»Oh verdammt!«, stieß sie hervor und sprang auf.
Mr Jarvis kam herbeigeeilt und wandte den Blick ab, aber er wirkte nichtsdestotrotz entsetzt.
»Es wird nicht geflucht. Nicht hier«, tadelte sie sich leise für die unglückselige Angewohnheit, die sie im Hospital erworben hatte. »Es tut mir so leid, Sir.«
»Verschwenden Sie keinen weiteren Gedanken daran, Ms. Ich werde mich um die Angelegenheit hier kümmern.« Er winkte einem Hausmädchen – einem Hausmädchen, das Elena nicht kannte –, das aus der Küche gekommen war und eine frische Kanne Tee auf die Anrichte stellte. Es schien, dass sich das Hauspersonal mit der Ankunft Lord Blacks über Nacht vervielfacht hatte.
»Vielen Dank, Mr Jarvis.« Elena presste die Zeitungen an ihre Brust und eilte aus dem Raum. Sobald sie außer Sicht des Haushofmeisters war, lehnte sie sich an die Wand und beruhigte sich mit einigen tiefen Atemzügen. Im Geiste rief sie sich zur Ordnung.
Lord Black war ihr Vormund, und es gab Angelegenheiten, die erledigt werden mussten, einschließlich der, dass sie Antworten auf einige sehr wichtige Fragen zu ihrer Vergangenheit bekam. Offensichtlich hatten der Tanz der vergangenen Nacht und die kurze Zeit, die sie anschließend in seiner Gegenwart verbracht hatte, in ihr eine Art unterbewusster Vernarrtheit geweckt, herbeigeführt durch irgendeinen Traum, den sie sich wahrscheinlich nur einbildete.
Wer konnte schon seinem Unterbewusstsein Vorwürfe machen? Rein körperlich war Lord Black einfach unvergleichlich.
Aber bei Tageslicht war ihr Verhältnis ein rein juristisches, genauso, wie es den Angelegenheiten, die sie verbanden, entsprach. Es gab weder einen Grund, rot zu werden, noch die Nerven zu verlieren.
Bis auf diesen wunderschönen Traum.
Sie presste die Fingerspitzen gegen ihre rebellisch lächelnden Lippen. In Wahrheit wollte sie die Bilder nicht vergessen, die eingebildete Berührung oder den Kuss. Niemals.
Aber Träume waren Träume, und die Realität war die Realität, und wenn sie irgendetwas war, dann Realistin. Binnen Tagen würde Lord Black England sicher wieder verlassen und seine Reisen fortsetzen – zusammen mit der Gräfin, die sehr wahrscheinlich seine Geliebte war –, und Elena würde sich in derselben Position befinden wie zuvor, eine junge Frau ohne Erinnerungen, die ihr Bestes tat, sich einen sinnvollen Lebensweg zu bahnen. Sie sollte diese Angelegenheit schnell hinter sich bringen. Sie musste ein Geständnis ablegen, und jetzt war wahrscheinlich der beste Zeitpunkt dafür.
Sie eilte durch den Eingangsbereich, faltete die Zeitungen zu einem adretten Stapel und legte sie auf ein lackiertes Tischchen direkt vor dem Arbeitszimmer.
Vor der geschlossenen Tür strich sie sich übers Haar. Sie konnte nicht leugnen, dass sie sich an diesem Morgen
Weitere Kostenlose Bücher