Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
zu bekommen, wie es für alle jungen Damen Ihres Standes Sitte ist.«
Elena räusperte sich unbehaglich und schaute zu Mrs Hazelgreaves hinüber, die ihr nichts anderes zu bieten hatte als einen ruhigen Blick. »Ja.«
»Darf ich fragen, wieso?«
Warum um die Wahrheit herumtanzen? Sie hatte sich immer für ihre Aufrichtigkeit gerühmt. »Weil ich keinen wollte.«
»Nichtsdestoweniger habe ich Mrs Hazelgreaves die Anweisung gegeben, Ihnen bei der Vorbereitung einer solchen Veranstaltung behilflich zu sein. Jetzt, da ich nach London zurückgekehrt bin, halte ich es für passend, Sie der ganzen Gesellschaft als mein Mündel zu präsentieren.«
Elena blinzelte hektisch und versuchte, seinen Worten einen Sinn abzuringen. Ihre Finger krallten sich in die gepolsterte Armlehne des Stuhls. »Einen Ball? Für mich? Wir haben den ersten Oktober. Es würde gegen jedes Protokoll verstoßen, etwas Derartiges außerhalb der Ballsaison anzukündigen.«
Seine Augen wurden schmal. »Wenn Sie so wohlhabend und einflussreich sind wie ich, Ms Whitney, legen Sie das Protokoll fest, und andere überschlagen sich, um Ihrem Beispiel zu folgen.«
»Natürlich, Mylord«, antwortete sie.
»Es freut mich, dass Sie mir zustimmen.«
Sein kühles Benehmen ärgerte Elena. Er wollte sie offensichtlich einschüchtern, damit sie tat, was er wünschte, was ihr nach ihrer vertraulichen Begegnung am Abend zuvor nicht angebracht zu sein schien. Sie konnte nicht umhin, sich verraten zu fühlen.
Sie richtete sich auf ihrem Stuhl auf und reckte das Kinn vor. »Darf ich fragen, Sir, warum es so wichtig ist, dass ich bei einem solchen Ereignis präsentiert werde?«
»Wie sonst wollen Sie einen Heiratsantrag erhalten?«
»Heirat?« Das Wort traf sie wie ein Tritt in die Mitte ihres eng geschnürten und mit Bändern besetzten Korsetts.
»Ja, Ms Whitney. Heirat. « Er sprach das Wort sehr sorgfältig aus, als erklärte er einem Hinterwäldler – wobei sie natürlich der Hinterwäldler war – etwas vollkommen Selbstverständliches. »Heiraten ist das, was junge Damen von Ihrem Rang und Los tun.«
Elena erbleichte und saß stumm da. Ja, jede andere unverheiratete Debütantin, der sie im Laufe der letzten Monate vorgestellt worden war, bekam rosige Wangen und wurde ganz beschwipst bei der Erwähnung einer Verlobung mit einem angesehenen Edelmann oder wohlhabenden Finanzier. Ihre Gedanken kreisten um Mitgiften, die St. Georges Church und Hochzeitsgeschenke.
Elena missgönnte ihnen das nicht. Sie hatte einfach andere Pläne. Klare, wohldurchdachte Pläne. Sollte sie Lord Black jetzt ihren Ehrgeiz enthüllen, Ärztin zu werden? Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie hatte gehofft, ihr Geständnis im Laufe eines behaglichen und freundschaftlichen Gesprächs machen zu können. Gestern Nacht hatte er so anders gewirkt, wie jemand, mit dem sie über alles reden konnte. Irgendetwas hatte sich verändert. Heute Morgen verströmte er die Kälte eines Tyrannen, und sein Gesicht schien aus Stein gemeißelt zu sein.
Als sie schwieg, hakte er nach: »Haben Sie etwas gegen die Institution der Ehe, Ms Whitney?«
»Nein, natürlich nicht«, antwortete sie ein wenig zu scharf.
Für andere Menschen war die Ehe perfekt. Für Menschen, die heiraten wollten. Aber sie hatte einen Verlust ihrer Erinnerungen erlitten. Wie konnte sie daran denken, sich einer anderen Person zu widmen, solange sie nicht wusste, wer sie wirklich war? Andererseits war sie fest entschlossen, den Armen Londons durch ärztliche Kunst zu helfen.
»Dann wäre das geregelt. Sie werden sich voll zu Mrs Hazelgreaves Verfügung halten, und alle notwendigen Arrangements werden getroffen werden, damit …«
Elena errötete bestürzt. Dies ging zu weit. Sie musste etwas sagen, und sie musste es jetzt sagen.
»Euer Gnaden«, versuchte sie, ihn zu unterbrechen, »wenn ich bemerken dürfte …«
»… ein Termin innerhalb der nächsten zwei Wochen festgelegt werden kann.«
»Zwei Wochen!«, platzte sie heraus.
Gewiss würde Mrs Hazelgreaves protestieren. Kein Ereignis dieses Kalibers konnte in so kurzer Zeit vorbereitet werden. Doch Mrs Hazelgreaves’ mit einem Stift nachgezeichnete Brauen hoben sich, und ein freundliches Lächeln umspielte ihre dünnen, rosigen Lippen.
»Wunderbar.« Sie verschränkte begeistert ihre blau geäderten Hände. »Ich werde wegen des Essens Arrangements mit Gunters treffen – Schweinekoteletts und Linsenpudding, so viel steht fest. Und mit einem Floristen. Wir werden
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