Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
eine Hand auf ihren Mund.
Sie fing an zu zappeln, schrie durch die große Hand hindurch, grub dem Angreifer die Fingernägel in die Haut und versuchte seine Finger von ihrem Mund zu ziehen. Gleichzeitig trat sie nach hinten aus.
Es war eindeutig ein Mann. Denn er hob sie mühelos so hoch, dass sie nicht mehr mit den Füßen auf den Boden kam.
Es ging alles furchtbar schnell.
Tiefer und tiefer zerrte er sie in die Dunkelheit.
Becca brauchte Zeit. Jemand musste merken, dass sie sich verzweifelt wehrte, jemand musste hören, dass sie erstickt um Hilfe rief.
Sie trat immer noch nach hinten aus, versuchte, sich dem Typen zu entwinden, doch er hielt sie weiter ohne große Mühe fest.
Dann erschien ein zweiter Mann, der sich ihre Beine griff. Warum brannte die Sicherheitslampe nicht? Becca erinnerte sich an das Licht. Dann aber hörte sie das Knirschen von zerbrochenem Glas unter den Füßen der Halunken, und ihr wurde klar, dass die Birne über ihrem Kopf zertrümmert worden war. Sie hatte sich in eine Falle locken lassen, die Rosen hatten sie um den Verstand gebracht. Wer wusste von Diegos Rosen? Sie verlor die letzte Hoffnung und den letzten Mut. Sie hatte keine Chance mehr, entdeckt zu werden, denn inzwischen hatte die nächtliche Dunkelheit sie vollkommen verschluckt.
Das Echo ihrer Schreie hallte laut durch ihren Kopf. Doch sie wusste, dass der Kampf verloren war.
Plötzlich spürte sie das Stechen einer Nadel in dem weichen Fleisch an ihrem Hals. Unter ihrer Haut wurde es siedend heiß.
Becca konnte nicht mehr schreien, sondern rang erstickt nach Luft. Ihre Lungen brannten lichterloh, als ihr Körper schlaff und schwer in sich zusammensank. Um sich zu orientieren, versuchte Becca sich auf die Lichter des Riverwalks und die Äste der Zypresse unter dem Nachthimmel zu konzentrieren, doch sie nahm schon keine Details mehr wahr. Sie verschwammen wie die Stimmen um sie herum. Gelächter und Gespräche drangen in ihr Bewusstsein und verschwanden sofort wieder, wie in einem Traum.
Schließlich ebbten die gedämpften Stimmen zu einem undeutlichen Rauschen ab. Halb bewusstlos nahm sie wahr, wie Hände über ihren Körper glitten und sie in einen schweren Stoff einwickelten, der nicht nur muffig roch, sondern unter dem sie kaum noch Luft bekam. Dann hoben sie sie hoch, ihre Glieder waren wie gelähmt und schwer wie Blei.
Lichter und Geräusche flackerten um sie herum wie Kerzen im Wind, während ihr Gehirn in einem quälenden, grausamen Schwebezustand zwischen Bewusstsein und Traum gefangen war. War sie tatsächlich noch wach, oder war all dies nur eine Halluzination?
Becca kämpfte darum, in der Wirklichkeit zu bleiben. Doch sie wusste inzwischen nicht mehr, wo die war. Bevor die Dunkelheit gewann, schweiften ihre Gedanken in eine ferne Zeit, die ihr mit ihrem warmen Licht und ihrer wunderbaren Stille hochwillkommen war.
Sie sah Danielles süßes Gesicht und roch den Duft ihrer warmen Haut, als sie an einem heißen Nachmittag als kleine Mädchen während ihres Mittagsschlafs in einem Bett gelegen hatten und die kühle Luft des Ventilators über ihr Haut gestrichen war. Danielle war niemals wach geworden, auch nicht, wenn ihr eine Strähne ihrer Haare ins Gesicht geblasen worden war. Sie hatte ruhig und gleichmäßig geatmet, aber ihre Lider hatten, wenn sie träumte, leicht gezuckt.
Becca sah sie gleichzeitig mit den Augen des jungen Mädchens, das an ihrer Seite gelegen hatte, und den Augen der Frau, die sie inzwischen war.
Die seltsame Vision erfüllte sie mit einem überwältigenden Frieden. Völlig aus dem Zusammenhang gerissen, stand plötzlich Diego über ihnen und sah lächelnd auf sie beide herab, als wüsste er, dass am Ende alles gut würde. Als sie ihn dort stehen sah, verspürte sie ein tiefes Glücksgefühl. Er war so wunderschön, wie er da im Licht der Mittagssonne stand. Stark, zuverlässig, ruhig.
Sie wollte seine Hand nehmen und seinen Namen wispern, konnte sich aber nicht bewegen und brachte auch keinen Ton heraus.
15
Innenstadt San Antonio
»Was? Sagen Sie das noch einmal.« Draper presste das Handy an sein Ohr, schaltete die Nachttischlampe an und blinzelte. Dann warf er seine Decke fort und richtete sich eilig auf. Auch wenn seine Umgebung – ein Zimmer in einem Hotel in der Innenstadt – langsam Gestalt annahm, war er immer noch nicht richtig wach.
»Die Leute, die Rebecca Montgomery überwachen sollten, haben mich eben angerufen«, meldete der Mann. »Sie konnten es nicht mehr
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