Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
fällt die Suche nach den nächsten Angehörigen natürlich in Ihren Tätigkeitsbereich.«
»Ich kann nur hoffen, dass die Überprüfung vermisst gemeldeter Personen etwas bringt. Die Leiche muss entweder während der Bau- oder während einer Renovierungsphase hier eingemauert worden sein. Dadurch wird der zeitliche Rahmen meiner Suche schon mal eingeschränkt, vielleicht haben wir ja Glück.«
Sie machte sich ein paar Notizen, zog eine Grimasse und stützte sich mit einem Ellenbogen auf ihr Knie. »Ich war als Kind einmal bei einer Ballettaufführung hier. Unheimlich zu denken, dass dieser arme Kerl vielleicht schon damals direkt neben der Bühne eingemauert war.«
»Ich habe gehört, dass der Kampf um Plätze in der ersten Reihe damals mörderisch war.«
Während die Kollegen von der Spurensicherung in ihrem Rücken unisono stöhnten, machte sie die Augen zu und schüttelte den Kopf.
»War nur so ein Gedanke«, stellte der Teamchef schulterzuckend fest.
»He, Sam. Hätte der Geruch der Leiche nicht auffallen müssen?«
»Ja, aber der Bau und auch die Renovierung haben sicher ihre Zeit gedauert. Die Zeit, die ein Körper braucht, um zu verwesen, hängt von der Temperatur und Feuchtigkeit der Umgebung und auch davon ab, ob er von Insekten angefallen werden kann. Im Sommer ist es möglich, dass von einem Leichnam bereits nach neun Tagen nur noch Knochen übrig sind. Zugegeben, in einer Umgebung wie hier muss es länger gedauert haben, aber vielleicht hat dieser Mensch die Premiere trotzdem nur noch als Knochengerüst miterlebt. Dann hat er wenigstens keinen Smoking mehr gebraucht.«
Da inzwischen weitere Steine aus der Mauer herausgebrochen worden waren, reckte er den Kopf und richtete den Strahl seiner Taschenlampe wieder in das behelfsmäßige Grab. »Sieht aus, als hätte dieses Wesen zu seinen Lebzeiten statt eines Smokings eher ein Abendkleid gebraucht. Sehen Sie sich mal die Hüften an.«
Becca legte ihren Kopf ein wenig schrägt und starrte Hastings an. »Sie sollten öfter mit Leuten rumhängen, die noch am Leben sind. Denn falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, ist das hier nur ein Haufen alter Knochen. Was für Hüften soll ich also sehen?«
»Das Wort ›Hüften‹ habe ich vor allem Ihnen zuliebe gebraucht. Ich denke nicht, dass es Ihnen weitergeholfen hätte, wenn ich Sie gebeten hätte, sich doch mal die Knocheneinkerbung am posteromedialen Rand des Hüftbeins anzusehen. Oder vielleicht doch?«
Als sie das Gesicht verzog, wies er auf die unteren Rückenwirbel und erklärte: »Diese Einkerbung wird bei einer Frau mit zunehmendem Alter breiter, damit das Becken weit genug für das Gebären von Kindern wird. Wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, das hier sind das Kreuzbein und der Beckenrand von einer jungen Frau. Diese Vermutung legen auch die teilweise hervorgetretenen Backenzähne nahe. Ich würde sagen, dass das Opfer zum Zeitpunkt seines Todes in den späten Teens oder den frühen Zwanzigern war.« Er wies mit einem Finger auf den Totenkopf. »Sehen Sie hier die Stirn? Sie ist beinahe vertikal. Eine Männerstirn ist schräger und hat eine ausgeprägtere Augenbrauenwulst. Mit den schmalen Kinnbacken ist es ganz eindeutig eine junge Frau.«
»Dann ist mein ›Er‹ also in Wahrheit eine ›Sie‹?«
»So sieht's zumindest aus.«
Als Becca tiefer in die Öffnung blickte, fielen ihr ein paar Kratzer in den Wänden auf.
»He, was ist denn das?« Sie schob ihren Kopf ein wenig näher und lenkte den Strahl ihrer Taschenlampe nach links. »Oh Gott. Ist das etwa, was ich denke?«
Die Innenwände der steinernen Gruft waren mit kurzen, gezackten Linien übersät. Sie lagen in mehreren Schichten übereinander, gaben jedoch kein erkennbares Muster ab. Kaum wahrnehmbare Streifen wechselten mit tieferen Einkerbungen ab.
Die Männer von der Spurensicherung schoben sich ein bisschen näher, eine bedrückende Stille senkte sich über den Raum, und Becca bekam nur noch mit Mühe Luft.
Schließlich bestätigte Sam Hastings ihre grässliche Vermutung, der ernste Klang seiner Stimme machte deutlich, dass auch er erschüttert war.
»Kratzer. Wahrscheinlich von ihren Fingernägeln. Sieht aus, als ob sie hier lebendig begraben worden ist.«
Becca schloss die Augen, um die Bilder zu verdrängen, die sie plötzlich vor sich sah. Trotzdem hörte sie gequälte Schreie, das keuchende Ringen nach Luft, sah die nackte Panik in den Augen dieser fremden jungen Frau. Und sah plötzliche ihre Schwester,
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