Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
sie ihm vorgeschlagen, hinter den Kulissen zu kooperieren, bis es ein Ergebnis gab. Am Ende würde nur sein Name in der Akte stehen, doch das war ihr egal. Ihr ging es einzig darum, den Menschen zu finden, von dem die junge Frau bei lebendigem Leib in dem Theater eingemauert worden war.
Da in den Morgenausgaben der Zeitungen bestimmt von den nächtlichen Verhaftungen berichtet würde, mussten sie sich sputen. Schließlich mussten sie verhindern, dass die verdächtige Person die Beine in die Hand nahm und verschwand.
Als sie zum Schwesternzimmer kam, wies die Schwester auf das weiße Telefon, das auf der Arbeitsplatte stand.
»Murphy? Ich bin's, Becca.«
»Wir haben die verdächtige Person vorläufig festgenommen, über ihre Rechte aufgeklärt und in Verhörraum 3 gesetzt. Sie hat bisher zu niemandem Kontakt gehabt, so wie Sie es angeordnet haben. Wir sind bereit, wenn Sie es sind.«
»Kein Anwalt?«
»Bisher nicht.«
»Okay, bin unterwegs.«
Sie bewegte sich auf einem schmalen Grat, jetzt käme es vor allem darauf an, dass sie nicht das Gleichgewicht verlor. Es ging um einen sieben Jahre alten Mord, und bisher hatte Becca nur ein paar Indizien, weiter nichts. Eine Kette, die sie bei den Knochen gefunden hatten und von der sie noch nicht sicher sagen konnten, ob die Tote überhaupt die Eigentümerin gewesen war, die widersprüchlichen Aussagen verschiedener möglicher Verdächtiger und die Behauptungen von einem toten Mann. Sie brauchte ein eindeutiges Geständnis, das sich auch vor Gericht aufrechterhalten ließ. Sie musste sich genauestens an die Regeln halten, gleichzeitig aber alles tun, um die verdächtige Person dazu zu bewegen, dass sie den Mord gestand.
Es würde ganz bestimmt nicht leicht.
Sie öffnete die Tür des an das Vernehmungszimmer angrenzenden Raums. Dort im Dunkeln stand Paul Murphy in einem zerknitterten Anzug, der so aussah, als hätte er in ihm geschlafen. Das hatte er wahrscheinlich auch getan. Sie sah seine Silhouette in dem fahlen Licht, das durch den von ihrer Seite durchsichtigen Spiegel an der Wand des Vernehmungszimmers fiel.
Als sie den Raum betrat, drehte er den Kopf, konzentrierte sich aber sofort wieder auf die Frau, die an dem kleinen Tisch im Verhörraum saß.
»He, Becca. Wir haben ihr das Feuerzeug und die Zigaretten abgenommen und ihr erklärt, dass das Rauchen überall im Haus verboten ist. Das hat sie ganz schön angekotzt. Seit fast einer Stunde schimpft sie jetzt schon vor sich hin. Scheint ein ziemlicher Morgenmuffel zu sein.«
»Wenn bei dir in aller Herrgottsfrühe die Kollegen vor der Tür stehen würden, würde dir dadurch der Tag auch ziemlich versaut.«
Es sah aus, als hätte Sonja Garza einfach angezogen, was gerade zerknittert auf dem Fußboden herumgelegen hatte, als die Polizei gekommen war. Vielleicht hatte sie in dem zerknautschten weißen T-Shirt auch geschlafen und hatte es kurzerhand mit einer Jeans und einer Kapuzenjacke vervollständigt, bevor sie zusammen mit dem ungeduldigen Murphy aus dem Haus gegangen war. So oder so sah ihre Haut in dem schmuddeligen T-Shirt und dem grellen Licht der Neonlampe grau und müde aus. Gleichzeitig wirkte sie ohne das gewohnte, dicke, schwarze Mascara mindestens fünf Jahre jünger, so dass Becca sich zum ersten Mal das Mädchen vorstellen konnte, das sie an der Highschool gewesen war.
Vor allem aber wirkte sie weniger wach als sonst. Sie kratzte betont gelangweilt an ihrem abgesplitterten Nagellack herum, verbarg dadurch jedoch nur unzulänglich, wie nervös sie wirklich war. Ihr Unterkiefer zuckte, und ihr Blick wanderte unruhig hin und her, denn bestimmt hatte der Nikotinentzug sie schon völlig kribbelig gemacht.
»Sie scheint reif zu sein. Wie wollen Sie die Sache angehen?«
»Sonja und ich haben eine Beziehung zueinander, sie hat schon zweimal mit mir gesprochen. Sie hat mich beide Male angelogen und denkt bestimmt, dass sie das auch heute schafft. Aber heute nagele ich sie fest.« Becca sah Murphy an. »Diese Vernehmung muss ohne Zwischenfälle ablaufen. Bisher habe ich keinerlei Beweise, sondern höchstens ein paar schwammige Indizien in der Hand. Was dem Staatsanwalt bestimmt nicht reicht. Deshalb brauche ich ein Geständnis, und es muss solide sein.«
»Und wie sollen wir das kriegen?«
Es gefiel ihr, dass Murphy im Plural sprach. Wenn sie daran dachte, dass sie ihm vor Kurzem erst die Fresse polieren wollte und dass es ihm mit ihr wahrscheinlich ebenso ergangen war, hatten sie es ganz schön weit
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