Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
hin.
»Danke.« Sie wagte kaum, ihn anzusehen. »War ein ziemlich anstrengender Tag.«
Nach einem Augenblick der Anspannung bemerkte sie, dass er sich noch nicht wieder zurückgelehnt hatte, sondern ihr noch immer in die Augen sah. Wieder hatte sie den Eindruck, als gäbe es eine innige Verbindung zwischen ihr und diesem fremden Kerl. Er hatte sich so weit zu ihr über den Tisch gebeugt, dass die Passanten auf der Straße denken könnten, dass er ihr Geliebter war. Sein Atem traf auf ihre Haut, die Berührung ihres Kinns durch seine Hand war ihr so natürlich vorgekommen, als wäre sie bereits aus einem anderen Leben mit diesem Mann bekannt.
Ein wunderbarer, unvergesslicher Moment.
Dann aber setzte er wieder eine strenge Miene auf, eine Windbö blies ihr eine Strähne ihrer Haare ins Gesicht, und mit einem Mal brach die Verbindung zwischen ihnen ab. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, und eine angespannte Stille dehnte sich zwischen ihnen aus.
Sie erinnerte sie daran, dass sie beide Fremde waren und dass es nichts mehr zu sagen gab.
»Wie gesagt, Sie brauchen ein Spitzenteam. Zur Not müssen Sie sich eben eins leihen.«
»Hören Sie zu, Sie Schlaumeier, ich habe einen Fall, in dem ich ermitteln muss. Und so sehr mir unser kurzes, einseitiges Rendezvous auch gefallen hat, habe ich noch alle Hände voll zu tun.«
Er nippte an seinem Kaffee und blickte auf die Tasse, die vor Becca stand.
»Aber Sie haben Ihren Cappuccino gar nicht angerührt.«
»Ich trinke nur mit Freunden.«
Es hatte keinen Sinn, ihm zu gestatten, sie noch länger von der Arbeit abzuhalten. Denn sie hatte Besseres zu tun.
»Was soll dieses rätselhafte, kleine Spielchen, Kumpel? Sie sind nicht bereit, mir zu sagen, wie Sie heißen oder wer Ihr sogenannter Gönner ist, aber gleichzeitig geben Sie mir jede Menge wohlmeinender Tipps. Dabei können Sie mit Ihrer Zeit doch sicher Besseres anfangen, als meine zu vergeuden, oder etwa nicht?«
Mit einem schwachen, unglücklichen Lächeln setzte sich der Mann die Sonnenbrille auf und machte sich daran zu gehen.
»Ich wollte Sie einfach kennen lernen. Um herauszufinden, weshalb ein Mitglied der Mordkommission Ermittlungen in einem Brand durchführt.«
Endlich lagen alle seine Karten auf dem Tisch. Bisher hatte er sein Blatt wirklich hervorragend gespielt, jetzt aber fischte er im Trüben. Er wusste, dass sie zum Morddezernat gehörte, hatte aber offenkundig keine Ahnung, dass eine Leiche in dem alten Imperial gefunden worden war. Interessant.
Anscheinend hatte sie immer noch ein Ass im Ärmel.
Und die Gummihandschuhe in der Tasche ihres Jacketts.
»Offenkundig gibt es Dinge auf der Welt, die Ihnen bisher entgangen sind.« Während sie dies sagte, zog sie unter dem Tisch einen der Handschuhe hervor. »Aber ich habe volles Vertrauen in Ihre Fähigkeiten. Ein findiger Kerl wie Sie findet die Sachen, die für ihn von Interesse sind, sicher noch früh genug heraus.«
Damit streckte sie die Hand, die wieder in einem Handschuh steckte, nach seiner Tasse aus und schüttete ohne großes Aufhebens den Rest von seinem Kaffee auf den Bürgersteig.
In seinen Augen blitzte etwas wie Empörung auf, das aber sofort wieder verschwand.
»Auf dieser Tasse sind zwei Sätze Fingerabdrücke – und zwar die von Ihnen und die von dem Ober, der heute hier bedient. Danke, dass Sie mir die Arbeit so leicht machen.«
Die Tasse in der Hand, erhob sie sich von ihrem Platz, bevor er die Gelegenheit zur Gegenwehr bekam. Dann beugte sie sich weit zu ihm über den Tisch, um durch seine teure Sonnenbrille sehen zu können, und flüsterte ihm zu: »Und diese Wölbung unter Ihrer Achsel? Sie sollten wirklich froh sein, mich zu sehen, und vor allem eine Erlaubnis zum Tragen einer Waffe haben. Wenn nämlich nicht, lege ich Ihnen bei unserer nächsten Begegnung sofort Handschellen an.«
Zum ersten Mal hatte sie den Eindruck, als hätte sie den Fremden etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Ein Eindruck, der jedoch sofort wieder verflog.
»Es steht Ihnen ausgezeichnet, wenn Sie derart herrisch sind.« Er stand entschlossen auf. Sein selbstbewusstes Grinsen war einem Ausdruck von Traurigkeit gewichen, doch er beugte sich verführerisch nach vorn, und sie schloss instinktiv die Augen, konzentrierte sich völlig auf den Moment, sog die Wärme seiner Haut und den subtilen Duft seines Rasierwassers begierig in sich auf.
Ihr Herzschlag setzte aus, statt sie jedoch zu küssen, wie sie es erwartet hatte, flüsterte er dicht an
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