Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
Lieblingsschlips – lehnte mit gekreuzten Armen an der Fensterbank und sah sie reglos an. Was eine Überraschung für sie war. Normalerweise trug der Mann seine arrogante Selbstgefälligkeit wie eine zweite Haut.
Dann fiel ihr Blick auf den ihr unbekannten Mann, der neben Murphy stand. Er war ein wenig älter, groß und dürr, sah in seinem Anzug wie ein menschlicher Kleiderständer aus, und es lag bestimmt nicht einzig an dem wenig schmeichelhaften Schnitt, dass der Kerl den Anzug irgendwie nicht auszufüllen schien.
Seine dunklen Augen lagen wie zwei Stücke Kohle in einem sicher nicht infolge allzu vieler gut gelaunter Lacher von tiefen Falten durchzogenen Gesicht. Um ihn zu zwingen, sich ihr vorzustellen, reichte Becca ihm die Hand.
»Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Ich bin Detective Rebecca …«
»Ich weiß, wer Sie sind, Detective. Bitte nehmen Sie Platz.« Er ignorierte ihre ausgestreckte Hand.
»Dies ist Mike Draper. Er ist bei der Abteilung für Strafverfolgung des FBI in Washington«, stellte Santiago ihr den Fremden vor.
Der durchdringende Blick, mit dem Draper Beccas Lieutenant daraufhin bedachte, war eine stumme Aufforderung, endlich zu beginnen, und Santiago kam ihr eilig nach.
»Draper hat ein paar Fragen an Sie, ich erwarte Ihre uneingeschränkte Kooperation.« Santiago blickte wieder auf den Mann, der vor dem Fenster stand.
»Die Brandstiftung und die Knochen, die in dem Theater gefunden worden sind. Erzählen Sie mir, was Sie bisher rausgefunden haben und was Ihr Gespräch mit Hunter Cavanaugh heute Vormittag ergeben hat«, forderte Draper Becca unumwunden auf.
»Mit Verlaub, Sir, ich würde lieber erst über den Fall meiner Schwester …«
»Der geht Sie nichts an. Jetzt erzählen Sie mir von dem Fall im Theater und inwieweit Cavanaugh darin verwickelt ist.«
Becca sah den FBIler forschend an, doch seine Miene war unergründlich. Etwas ging hier vor sich, von dem sie ganz eindeutig ausgeschlossen war. Sie warf sich auf den nächsten Stuhl, starrte die drei Männer nacheinander an und fasste einen Entschluss. Sie war es einfach leid, ständig nach Regeln zu spielen, an deren Aufstellung sie nicht beteiligt war.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen, Sir. Ich habe heute Nachmittag einen Termin in der Pathologie. Bisher haben wir das Opfer noch nicht eindeutig identifiziert. Wie Sie wissen, kann ich nicht viel tun, bis das geschehen ist.«
»Erzählen Sie mir von Ihrem Besuch bei Cavanaugh. Was kam dabei heraus?«
»Wir haben zusammen Kaffee getrunken, Sir«, gab sie zurück. Ihr war klar, dass sie in einem Zimmer voll vernehmender Beamter Ruhe bewahren und den Eindruck erwecken musste, sie wäre ein offenes Buch. »Cavanaugh wirkte überrascht, als ich ihm von dem Skelett erzählte, das nach dem Brand gefunden worden ist. Ich glaube nicht, dass er uns weiterhelfen kann. Schließlich hat er das Gebäude vor geraumer Zeit irgendeinem historischen Verein vermacht.«
Falls Santiago eine Beschwerde von Cavanaugh hereinbekommen hatte, musste ihrem Lieutenant klar sein, dass sie wusste, wer das Opfer war. Da er jedoch mit ausdrucksloser Miene hinter seinem Schreibtisch sitzen blieb, hielt sie sich auch weiter an ihren spontan gefassten Plan. Inzwischen war sie es gewohnt, dass sie sich permanent auf dünnem Eis befand.
»Ist das alles, Detective Montgomery?« hakte Draper nach. »Haben Sie den Verdacht, dass Hunter Cavanaugh sich in diesem Fall irgendeines Vergehens oder Verbrechens schuldig gemacht hat?«
Wie viel wusste dieser Mann? Falls er oder Murphy herumgeschnüffelt hatten, wussten sie vielleicht, dass sie sich zwei Kästen mit Fällen von Vermissten aus dem Archiv hatte kommen lassen. Hatten sie ihren Bluff vielleicht durchschaut? Sie kam zu dem Ergebnis, dass es Zeit für einen Gegenangriff war. Schließlich hatten sie einfach ihre Breitseite gerammt, und sie setzte sich lediglich zur Wehr.
»Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich keinen Grund, ihn irgendeiner Straftat zu verdächtigen.« Was noch nicht einmal gelogen war. »Aber ich habe ein paar Fragen an Sie, Sir.«
Sie beugte sich auf ihrem Stuhl nach vorn, stützte sich mit einem Ellenbogen auf Santiagos Schreibtisch ab, sah den FBIler reglos an und fuhr fort, ohne Drapers Erlaubnis abzuwarten.
»Sie haben gesagt, dass das Feuer im Imperial Brandstiftung war. Dabei ist der abschließende Bericht der Spurensicherung noch gar nicht da. Weshalb also haben Sie es Brandstiftung genannt? Und woher wissen Sie von meinem
Weitere Kostenlose Bücher