Shadow Touch
zurückzukehren, in ihren eigenen Leib. Sie fühlte, wie ihr physisches Selbst schwer auf dem Körper des Russen lag, aber dieses Gefühl war seltsam fern. Der Geist des Russen fühlte sich echter an als Fleisch, behaglicher als Haut.
Sie müssen gehen, sagte er. Ihr Körper kann ohne Sie nicht überleben.
Eine Minute, geben Sie mir eine Minute. Ich bin müde.
Nein. Sie fühlte, wie er sie anstieß, aber sie waren so eng verbunden, dass ein einfacher Stoß nicht genügte. Er zerrte an ihr, diesmal fester.
Langsam, sagte sie und fügte mit müdem Humor hinzu: Seien Sie behutsam.
Immer. Er war sanft und langsam, aber es tat trotzdem weh. Es war zwar nicht derselbe Schmerz, den er gerade erlitten hatte, aber trotzdem tat es weh. Fast wie Liebeskummer, vielleicht; als sie sich entwirrten, hatte Elena das Gefühl, ein Teil ihrer Seele würde Zurückbleiben. Ob der Russe dasselbe empfand?
Ihr Name, fragte sie ihn. Wie heißen Sie?
Artur. Artur Loginov.
Artur. Dieser Name gefiel ihr. Ich heiße Elena Baxter.
Hallo, flüsterte er. Ein merkwürdiges Licht flackerte durch seinen Geist, so grün wie Smaragde. Elena erkannte es. Bevor sie etwas sagen konnte, fühlte sie sich aus Arturs Griff gezogen, war so leicht wie Luft, so substanzlos wie ein vergessener Traum. Sie streckte die Hand nach ihm aus, instinktiv, aber er konnte sie nicht halten.
Sie landete mit einem harten Schlag in ihrem Körper, doch Dunkelheit - immer diese Dunkelheit - legte sich über ihre Augen, und sie konnte den Kopf nicht von der Brust des Russen heben.
So verlor sie sich erneut.
Wenn Elena Menschen heilte, war die Reise in ihren Körper fast immer eine Angelegenheit von einem Augenblick, niemals begleitet von Ohnmacht oder Perioden der Verwirrung. Als Elena die Augen öffnete, sich in den Duschräumen wiederfand und der Russe nirgendwo zu sehen war, wusste sie, dass etwas Schlimmes geschehen war.
Rictor stand dort.
»Was haben Sie getan?«, wollte Elena wissen und versuchte aufzustehen. Doch ihr Körper gehorchte ihr nicht. Sie fühlte sich schwach, wie ausgetrocknet. Rictor stand kaum einen Meter entfernt da, vollkommen unbeteiligt. Sie brauchte eine Weile, bis sie begriff, dass sie in einer der Duschkabinen hockte. Sie hatte ihre Kleider noch an und war trocken.
Rictor ignorierte ihre Frage. »Sie müssen duschen, bevor ich Sie in Ihre Zelle zurückbringe. Befehl des Arztes.«
»Was haben Sie mit mir gemacht?«, fuhr ihn Elena wütend an. »Wo ist Artur?«
Rictor hockte sich vor sie hin. Er wirkte gelangweilt. »Sie hätten sich nicht einmischen sollen«, sagte er sanft.
Sie starrte ihn an, versuchte in seinem Gesicht zu lesen. Unmöglich. »Er wäre gestorben, Rictor. Ich musste etwas tun.«
»Sie haben die ganze Angelegenheit verkompliziert.«
»Wie sollte ich hier wohl etwas verkomplizieren, hm? Sie haben doch die vollkommene Kontrolle. Genauso gut könnten Sie uns Ihr Brandzeichen auf den Hintern einbrennen und uns zwingen zu muhen.«
Rictor schloss kurz die Augen. »Wenn Sie das wirklich empfänden, würden Sie nicht die ganze Zeit über Fluchtmöglichkeiten nachdenken. Stehen Sie auf. Sie müssen duschen.«
»Wo ist Artur?«, wiederholte sie, ohne sich zu rühren. Ihr Herz schmerzte, es war ein körperlicher Schmerz, als fehle ein Stück von ihr.
»Der Russe ist da, wo er hingehört. Und zwar lebendig, dank Ihnen.« Rictor klang nicht übermäßig erfreut darüber. Seine grünen Augen flackerten, glühten in einem tiefen Smaragdgrün, und leuchteten, sie leuchteten unfassbar hell ...
Elena hielt den Atem an, als sie sich an dasselbe Licht in Arturs Kopf erinnerte. »Sie waren da, bei uns. Sie ... haben uns geholfen.« Sie haben geholfen, den Wurm herauszuziehen. Sie haben mich von Artur weggeholt.
»Wenn ich das getan hätte, wäre ich ein Narr!«, widersprach er.
»Quatsch!«
Rictor packte Elenas Arm und zog sie hoch. Sie hatte kaum genug Kraft, sich selber auf den Füßen zu halten, deshalb musste er sie stützen. Das wollte sie nicht, also stieß sie schwach gegen seine Brust, bis er sie sanft gegen die geflieste Wand lehnte.
»Fluchen steht Ihnen nicht besonders«, meinte er gelassen. »Es wirkt einfach nicht natürlich.«
»Ich glaube kaum, dass Sie mir einen Vortrag über gewählte Ausdrucksweise halten können. Oder habe ich mir nur eingebildet, dass Sie ständig >Fuck< sagen?«
Rictor presste die Lippen zusammen. Er streckte die Hand aus und drehte an dem Duschknopf. Kaltes Wasser prasselte auf Elena
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