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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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auf. Er hielt einen schwarzen Plastikbeutel in der Hand. Sein Lächeln wirkte unterschwellig unangenehm, sein Gesicht war zu schmal, und seine Augen waren zu scharf, um aus dieser Grimasse kein Zähnefletschen zu machen. Artur beobachtete ihn, so gut er konnte. Der alte Mann drückte auf einen Knopf an der Maschine. Der Tisch, auf dem Artur lag, glitt aus dem Ring heraus. Artur blinzelte, als ihn die grellen Deckenlichter blendeten.
    »Entschuldigen Sie«, sagte der Arzt. »Ich hasse Unterbrechungen. «
    »Dabei bewältigen Sie sie ganz ausgezeichnet. Ich habe doch eben ein Tier gehört, oder?«
    »Allerdings.« Der Arzt lächelte. »Sehr schwer zu zähmen.«
    »Das sind Raubkatzen meistens. Sie ähneln den Menschen ja so sehr. Sie haben ihren eigenen Kopf, wie Sie ja bereits festgestellt haben.«
    Das Lächeln des Arztes erlosch. Ja, er wusste es, das war mehr als offenkundig. Die Hand, die den Plastikbeutel hielt, verkrampfte sich, bis die Knöchel weiß hervortraten.
    »Wie unglaublich begabt Sie sind«, erklärte der Arzt leise. »Was für eine Lernfähigkeit. Faszinierend. Man sagt, Sie wären ein gefährlicher Mann. Ich glaube es. Dennoch, ich frage mich, warum ein Mann wie Sie, jemand, der die Geheimnisse der meisten Menschen auf der Welt kennt, nicht sein eigenes Reich regiert, sein Königreich, das mit dem konkurrieren könnte, dessen Untertan Sie demnächst sein werden.«
    »Verzeihung«, erwiderte Artur. »Aber ich habe keine Ahnung, was Sie da faseln.«
    Der Arzt hob eine Braue. »Das erklärt es wohl. Sie sind wirklich nur ein erbärmlicher Schläger.«
    Was, dachte Artur, im Grunde dasselbe bedeutete wie Dummkopf. Damit konnte er leben, angesichts der Quelle, der diese Beleidigung entsprang.
    »Ich würde Sie wirklich zu gern sezieren.«
    Artur musste sich beherrschen, nicht laut herauszulachen. »Sie sehen mir sicher nach, wenn ich dieses Verlangen nicht teile.«
    »Aber natürlich. Ich bin sehr geduldig.«
    »Das müssen Sie wohl auch sein, so oft, wie Sie enttäuscht werden.«
    »Ich scheine bei Ihnen ein Übermaß eher schlichten Humors auszulösen.«
    »Vielleicht hören Sie einfach auf, Witze zu provozieren.«
    Der Arzt hätte ihn gern geschlagen; Artur sah es in seinen Augen - und in den zuckenden Fingern. Er kannte diesen Ausdruck ... scharfer Schmerz, so unerwartet, aber warum ... warum nur ...
    Elena. Ihre Erinnerungen, die aus seinem Unterbewusstsein drängten. Er erinnerte sich. Der Arzt hatte sie geschlagen, diese Schwellung auf ihrer Wange verursacht. Er hatte sie Blut schmecken lassen, Blut und Schmerz, und es musste schrecklich gewesen sein. Arturs Wut war ebenfalls schrecklich, dazu kam sie schockierend und unerwartet, denn er kannte diese Frau eigentlich gar nicht, nicht richtig jedenfalls, nicht mit dem Herzen ...
    Trotzdem wollte Artur ihn töten. Vielleicht bemerkte der Arzt Arturs Wut in seinem Blick, denn er wich zurück. Nur ein kleines Stück, eine winzige Schwäche. Artur lächelte.
    »Nur zu«, sagte er. »Berühren Sie mich.«
    Die Kiefer des Arztes mahlten. »Ich fürchte, Sie missverstehen meine Begeisterung.«
    »Ich dagegen glaube, dass es Ihnen gefällt, Schmerzen zu bereiten. Also missverstehe ich gar nichts.«
    »Tatsächlich.« Der Mann dehnte das Wort drohend. »Sie können von Glück sagen, dass ich ein solch beherrschter Mann bin, Mr. Loginov.«
    Artur dachte an Elena. »Sie überschätzen sich.«
    »Und Sie unterliegen dem Irrtum, Sie hätten das Recht auf eine Meinung.«
    Artur musste unwillkürlich lachen. Kalt schlüpfte er wieder in die Maske seiner Jugend, wo nur die Pistole und die Faust gezählt hatten. »Wenn ich Sie umbrächte, täte ich Ihnen nur einen Gefallen.«
    Der Arzt holte aus.
    »Halt.« Ein Wort, eine bekannte Sti mm e. Der Arzt erstarrte. Artur verdrehte die Augen und versuchte, die Kamera zu finden. Er sah zwar keine, dafür aber hörte er Graves über die Gegensprechanlage. »Sie sollten jetzt besser das Zimmer verlassen, Doktor.«
    Der Arzt ließ die Hand sinken. Sein Blick wurde ausdruckslos, aber Artur bemerkte die zusammengepressten Lippen, seine hochgezogenen schmalen Schultern. Er ließ den schwarzen Beutel auf den Boden fallen und ging hinaus. Vor der Tür erwartete ihn Miss Graves. Artur glaubte, an der Wand hinter ihr Blut zu erkennen. Und blonde Haarbüschel.
    Graves legte dem Arzt die Hand auf die Schulter, als er an ihr vorbeiging, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Seine Miene hellte sich auf. Als er weiterging, wirkte sein

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