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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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fliehen können?«
    »Ich wäre schon vor langer Zeit geflohen, wenn ich nur gekonnt hätte.« Rictor sah auf die digitale Anzeige über den Aufzugtüren.
    »Sie können nicht hierbleiben«, widersprach sie. Rictor verwirrte sie vielleicht, und er mochte sich als ein Arschloch von geradezu gargantuesken Ausmaßen erwiesen haben, aber er verdiente es trotzdem nicht, zu sterben oder seine letzten
    Tage in dieser Einrichtung verbringen zu müssen. Das verdiente niemand.
    »Elena«, begann er, hielt inne und warf Artur einen so scharfen Blick zu, dass Elena fürchtete, die beiden würden sich schlagen.
    »Sie wissen es!« Seiner Stimme war seine Überraschung deutlich anzumerken.
    »Nur ein wenig. Ich war in Ihrem Kopf.«
    Rictor biss die Zähne zusammen. »D ann wissen Sie auch, dass es hoffnungslos ist. Ich habe keine Möglichkeit, diesen Raum zu betreten, und selbst wenn ich es könnte, es wäre mir unmöglich, den Kreis zu durchbrechen.«
    »Das könnte einer von uns tun«, erwiderte Artur ruhig. Der Aufzug hielt mit einem Ruck an und die Türen glitten auf. Im Flur war zwar niemand, doch Rictor bewegte sich nicht. Er starrte Artur an, ohne zu blinzeln. Elena setzte ihren Fuß zwischen die Türen, als sie sich langsam schlossen.
    »Jungs«, meinte sie. »Kommen wir oder gehen wir?«
    »Ich vertraue Ihnen nicht. Ich mag Sie nicht mal. Aber ich schulde Ihnen dieselbe Mühe, die Sie uns gegenüber an den Tag legen.«
    »Nein«, widersprach Rictor. »Sie wissen nicht, was ich bin. Sie hat mich wegen meiner Dummheit gefangen, aber gefunden hat sie mich infolge meiner Natur.«
    »Im Augenblick interessieren mich nur meine Schulden«, erklärte Artur. Elena wurde klar, dass sie noch nie zwei Männer gesehen hatte, die besser für ein Pokerspiel geeignet gewesen wären. Ihre Gesichter verrieten überhaupt nichts. Das zu beobachten hätte sicher Spaß gemacht, aber doch nicht jetzt.
    »He!«, fuhr sie die beiden an. »Wir versuchen gerade zu fliehen, richtig? Aber irgendwie sehe ich nicht, dass ihr eure Hintern in Bewegung setzt.«
    Schweigen. Dann sprach Rictor, und zwar ziemlich gelassen. »Sind Sie sicher, dass Sie sie behalten wollen? Ihr Temperament wird mit dem Alter nur schlimmer. Sie hätte heute fast einen Mann umgebracht.«
    »Genau mein Typ Frau«, erwiderte Artur. »Ich mag die Gefährlichen.«
    »Oh, Mann! Verdammt!« Elena ließ die Aufzugtüren los und trat in den Korridor. Sie fühlte, wie Artur und Rictor ihr folgten.
    »Erst die Gestaltwandler«, sagte Rictor. Elena hatte keine Ahnung, was dieser Ausdruck bedeutete. »Einer von ihnen ist verletzt. Dann ich, falls Sie noch Zeit haben.«
    Sie liefen los. Diesmal begegneten ihnen Menschen im Flur, aber Rictor schien es nicht zu kümmern, ob man sie sah. Die Leute wirkten blass, anämisch. Wissenschaftler, dachte Elena. Die Frauen und Männer machten ihnen Platz, als sie durch den Flur gerannt kamen; Elena fragte sich unwillkürlich, ob man sie erwartete. Und ob Rictor immer so mit seinen Gefangenen herumspazierte.
    Sie hörte die Schreie, bevor sie den Raum erreichten. Menschliche Schreie, das Kreischen eines Tieres. Rictor ging langsamer und sah Artur und Elena über die Schulter an.
    »Wenn es Schwierigkeiten gibt, kann ich Ihnen nicht helfen. Ich darf niemanden in dieser Einrichtung bekämpfen, außer um Elena zu beschützen. So lauten meine Befehle. Und ich muss ihnen gehorchen.«
    »Ich habe schon mal etwas Ähnliches gehört«, meinte Artur.
    »Denken Sie schärfer nach«, erwiderte Rictor. »Die Ähnlichkeiten reichen tiefer, als Sie sich vorstellen können.«
    Elena wartete das Ende ihres Gesprächs nicht ab; die Schreie klangen, als würde jemand sterben. Sie entzog Ar-tur ihre Hand und lief an Rictor vorbei, entwischte ihm gerade noch, als er nach ihr griff, und stürmte durch die offene Tür, die sich links vor ihr befand. Dort blieb sie wie angewurzelt stehen.
    Der Raum wirkte wie das Labor eines durchgeknallten Dr. Frankenstein, der auf Tiere stand. Zuerst fielen ihr die zersplitterten Reste eines Bassins ins Auge, ein großes Bassin, mindestens drei Meter lang. Glas, Drähte und dicke schwarze Riemen lagen in einem gewaltigen Durcheinander wie ein Haufen Eingeweide auf dem Boden herum. Mitten in dem Schrott befand sich reglos ein Delfin. Es war ein echter, ein richtiger Delfin. Das Tier war blutüberströmt. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein Käfig auf einem fahrbaren Gestell. Die Raubkatze, die darin saß, fauchte und warf sich gegen die

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