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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Gitterstäbe. Mehrere Männer umringten den Käfig und versuchten zu verhindern, dass er umkippte. Frauen und Männer in Laborkitteln standen überall herum. Sie waren allesamt verletzt, vollkommen aufgelöst und wirkten ganz und gar hilflos.
    »Scheiße!«, stieß Elena hervor. »Oh, Scheiße. Wo soll ich anfangen?«
    Rictor tauchte neben ihr auf. »Der Delfin. Heilen Sie den Delfin.«
    »Was zum Teufel meinen Sie mit: Heilen Sie den Delfin?«
    »Der Delfin ist einer der Gefangenen.«
    »Sie sind ja völlig übergeschnappt!«
    Artur schob Rictor beiseite, legte seine bloßen, immer noch gebundenen Hände auf Elenas Schulter, senkte den Kopf und sah ihr in die Augen. Seine Augen wirkten dunkel und alt -und stark.
    »Elena«, sagte er leise. »Vertraust du mir?«
    Sie schluckte. »Ja.«
    »Dann heil den Delfin. Rictor hat recht. Es ist nicht nur ein Tier.«
    »O Gott! Jetzt seid ihr wohl beide auf Crack!«
    »Elena!«, stießen die Männer unisono hervor.
    »Schon gut, okay. Geht mir aus dem Weg!«
    Socken waren in diesem Raum nicht gerade die optimale Fußbekleidung. Sie musste auf Zehenspitzen um die Glasscherben herumgehen, und die dicke Baumwolle saugte sich rasch mit Wasser voll. Sie tastete sich an den Delfin heran, der von einem lockeren Kreis aus Frauen und Männern in Laborkitteln umgeben war. Keiner von ihnen machte Anstalten, Wasser über das Tier zu gießen. Alle starrten nur die große Glasscherbe an, die aus der Seite des Tieres herausragte.
    Als sie jedoch Elena bemerkten, riss sie das aus ihrer Erstarrung.
    »Ist das die Heilerin?«, fragte eine blonde Frau. Ihre weiße Hose war vollkommen mit Blut verschmiert. Als Rictor nickte, sah sie Elena scharf an. »Sie müssen ihn dazu bringen, dass er sich wandelt. Es spielt keine Rolle, ob Sie seine Wunden heilen; sein Körper ist zu schwer, wenn er sich nicht im Wasser befindet. Wir haben nichts, in das wir ihn legen könnten.«
    »Wandeln?« Elena hockte sich dicht neben den Delfin. »Ich habe keine Ahnung, was ...«
    Rictor riss Elena an der Schulter zurück, als sich das Tier auf sie stürzte. Sie fiel auf ihren Hintern und krabbelte zurück, als der Delfin mit seiner langen Schnauze nach ihren Füßen schnappte. Dabei konnte sie einen Blick auf seine Augen werfen: Sie glühten wie mattes Gold, als wäre das wertvolle Metall aus einem weichen Stoff gewonnen worden.
    »Er lässt uns nicht mehr an sich heran«, erklärte ein Mann. Elena wünschte, er hätte das lieber ein wenig früher gesagt.
    »Noch was?«, fragte sie, obwohl sie nicht sonderlich scharf auf die Antwort war.
    »Er will sterben«, sagte die blonde Frau. Sie klang vollkommen ernsthaft. »Das ist die einzige Erklärung für seinen Widerstand.«
    Ein selbstmörderischer Delfin. Das war doch mal was Neues.
    Artur hockte sich neben Elena auf den Boden und glitt mit einer unglaublich anmutigen Bewegung seitlich auf das Tier zu. Es wirkte fast wie ein Tanz. »Sieh mich an«, flüsterte er, als wäre niemand in dem Raum als nur die beiden und als wären nur Worte von Bedeutung - eine Stimme. »Sieh mich an.«
    Rictor drängte die Wissenschaftler zurück zur Tür, auch die verletzten. Er deutete auf die Männer, die den Käfig der Raubkatze festhielten. »Raus«, sagte er und ignorierte ihre Proteste. »Sie wollen, dass er lebt, richtig? Also raus. Wir brauchen Ruhe.«
    »Das Mädchen ist nicht ausgebildet ...«, begann die Wissenschaftlerin, aber Rictor schob sie kurzerhand zur Tür hinaus, schlug sie zu und verriegelte sie. Elena hörte, wie die Wissenschaftler mit den Fäusten gegen das Metall trommelten.
    »Wir haben nicht viel Zeit«, erklärte Rictor. »Tun Sie, was nötig ist, aber beeilen Sie sich.«
    »Artur.« Elena war um seine Sicherheit besorgt. Artur achtete nicht auf sie, sondern näherte sich immer weiter dem Delfin. Die Kreatur lag ruhig da, ihre Augen aber glänzten hell und unheimlich in ihrer Intelligenz. Es bereitete Elena Unbehagen, sie anzusehen.
    Artur hob seine gefesselten Hände. »Siehst du das? Ich bin auch ein Gefangener. Wir alle sind Gefangene. Aber wir müssen das nicht bleiben. Wir haben die Möglichkeit, zu ent-kommen, aber wir müssen sie sofort nutzen. Bitte. Ich kann dich doch nicht hier zurücklassen.« Er warf einen Blick über die Schulter auf die Raubkatze, die in dem Moment aufgehört hatte zu fauchen, da er sprach. Ihre Augen glühten ebenfalls golden, und Elena beschlich das beklemmende Gefühl, dass sie jedes Wort, das Artur sagte, verstand.
    »Rictor«,

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