Shadowangels (German Edition)
weiterlebst. Ich darf dich auf deinem Weg
nicht begleiten. Daher schicke ich dich wieder zurück zu der
einzigen Familie, die du als die deine kennst! Aber ich werde von nun
an über dich wachen ... und wenn der Tag gekommen ist, mein
Sohn, dann werde ich an deiner Seite stehen!“
Mit diesen Worten
bettete er seinen Sohn auf seine Arme und erhob sich mühelos,
als spüre er die Last nicht.
Dann atmete er tief
ein, schloss seine Augen und ein Paar gewaltiger schneeweißer
Flügel entfaltete sich auf seinem Rücken …
1)
„ V erflucht
... kann man denn nicht mal am Wochenende ausschlafen in diesem
Irrenhaus?“
Lance, der vierte
Earl of Brookemore, warf mit Schwung die Bettdecke zurück und
streckte seinen eins fünfundneunzig langen, muskulösen und
nackten Körper ausgiebig, bevor er sich erhob und umständlich
aus dem Bett kletterte.
Ein Blick zur Uhr
genügte. Mist, es war noch nicht mal acht Uhr.
Rasch schlüpfte
er in bequeme Jogginghosen und fuhr sich kurz durch seine schwarzen
Haare. Unmutig riss er die Türe seines Schlafzimmers auf.
Was, zur Hölle,
hatte dieser Lärm zu bedeuten?
„ Was zum
Teufel ist hier los?“
Lance war wirklich
fuchsteufelswild. Er hatte bis heute früh um drei Uhr an einem
Plädoyer gearbeitet, das er am Montagmorgen halten musste.
Seine eigene Kanzlei
lief mehr als gut und erlaubte ihm mittlerweile, sich seine Fälle aussuchen zu können.
Normalerweise
diktierte er einfach Mrs. Baker, seiner langjährigen Sekretärin,
oder Julie, was er benötigte. Doch Julie, die erst kürzlich
eingestellte Hilfskraft, glänzte mal wieder durch Abwesenheit,
worüber sich nicht nur Lance maßlos ärgerte.
Die gute Mrs. Baker
schaffte die Berge an Arbeit einfach nicht alleine.
Also hatte Lance ihr
vorgeschlagen, die Karten für sein Plädoyer selbst zu
schreiben. Das hatte er schließlich auch getan, aber er würde
alles noch mal im Zwei-Finger-Suchsystem in den PC eingeben müssen,
da er seine eigene Schrift am Montag vermutlich nicht mehr würde
lesen können.
Allerdings war Mrs. Bakers strahlendes Gesicht
aller Mühen wert.
Mühen, die er gar nicht auf sich zu
nehmen brauchte, wenn er einen Blick auf sein Bankkonto warf.
Lance hatte es gar
nicht nötig zu arbeiten, doch das war nicht sein Stil.
Bereits sehr früh
hatte seine Mutter, Gott hab' sie selig, darauf bestanden, dass er
sich nicht auf seinen Lorbeeren, sprich auf ihrem Geld, ausruhen
solle. Doch das hatte er ohnehin nie vorgehabt.
Er dankte seiner
Mutter noch heute dafür, dass sie ihn auf ein öffentliches
Internat geschickt und nicht etwa Privatunterricht erteilt hatte, wie
es für einen Sohn aus dem Hause Brookemore bisher immer
gehandhabt worden war.
Allerdings, und das
musste Lance zugegeben, war das Internat teuer genug, dass es sich
nur Eltern aus der Oberschicht erlauben konnten, ihre Sprösslinge
dort unterzubringen. Aber wenigstens war er hier einfach nur Lance
Brookemore.
Die Lehrer
behandelten ihre Schüler und Schülerinnen zwar höflich
und zuvorkommend, aber keinesfalls ehrfürchtig, wie es
beispielsweise die Menschen in der unmittelbaren Umgebung seiner
Mutter taten.
Lance seufzte, als
er an seine geliebte Mutter dachte.
Lady Aurora war eine
kleine zierliche Person gewesen mit blonden, langen Haaren und
unglaublich hellblauen Augen. Ihre höfliche, wenn auch immer ein
wenig distanzierte Art, hatte jedoch unmissverständlich dafür
gesorgt, dass sie respektiert wurde.
Lance lief den
langen Flur entlang. Als er an einem der Gold gerahmten Spiegel
vorbeikam, warf er einen kurzen Blick hinein.
Seine Augen waren
dunkelblau, beinahe violett, und seine wild gelockten Haare glänzten
wie Rabenfedern. Das Aussehen musste er also von seinem Vater geerbt
haben.
Jonas, der dritte
Earl of Brookemore. Lance hatte ihn niemals kennengelernt. Er war
gestorben, als Lance noch in den Windeln lag.
Vor sieben Jahren
hatte ein betrunkener Autofahrer dafür gesorgt, dass Lance
praktisch über Nacht zum Vollwaisen wurde und – quasi in
einem Aufwasch - zu einem der angesagtesten, weil unermesslich
reichen, Junggesellen Schottlands.
Ein tiefer Seufzer
entschlüpfte ihm. Er hasste es, wenn ihn die Erinnerung so
unvorhergesehen traf.
Doch wie so oft,
wenn das geschah, ließ sie ihn nicht los.
Der plötzliche
Unfalltod seiner Mutter ließ ihn in ein tiefes Loch stürzen,
aus dem er nur dank der Liebe seiner Tante Helen, der Schwester
seines Vaters, wieder herausfand. Erst in zunehmendem Alter begriff
Lance, was er
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