Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
Max stippte zwei Finger in das Glas und holte einen Klumpen heraus. Gleichmäßig verteilte sie die Masse auf den Schnitten an seiner Schulter. Er zuckte und verkniff sich ein Stöhnen.
»Das waren zwei üble Tage für uns beide«, meinte Max, während sie sich vorbeugte, um ihm die Salbe auf die Brust zu schmieren. »Du solltest mir und Giselle lieber aus dem Weg gehen. Wir bringen dir kein Glück.«
Er packte ihr Handgelenk und fing ihren Blick ein, als sie aufschaute. »Ich habe meine Wahl getroffen. Ich bereue sie nicht.«
Etwas blitzte in ihren Augen auf. Sie schüttelte den Kopf und entzog sich ihm. »Du hast ein ernsthaftes Problem, Schleimer. Du solltest schnellstens flüchten und Deckung suchen. Bist du dumm? Oder masochistisch?«
»Glaub mir, ich erleide nicht gerne Schmerzen, und ich glaube durchaus, dass ich über etwas Intelligenz verfüge, sonst hätte ich es nicht zum Primus gebracht«, antwortete Alexander lakonisch.
»Dann fehlen dir offenbar nur noch ein paar Clowns für einen Zirkus. Soll ich schon mal Maß für eine Zwangsjacke nehmen? Oder dich zu einem Seelenklempner schicken?«
»Ist es verrückt, wenn man weiß, dass man etwas gefunden hat, das einem etwas wert ist?«, fragte er, ohne auf ihren Sarkasmus einzugehen.
Sie hob die Brauen. »Etwas wert? Junge, du brauchst dringend einen Spiegel. Ich wüsste nämlich nicht, was das hier wert sein sollte. Nicht, wenn man einen Freifahrtschein aus dem Knast hat.«
Er antwortete nicht. Nichts, was er sagen konnte, würde sie überzeugen. Aber er wusste, dass Horngate mehr war als nur ein weiterer Sitz eines weiteren Zirkels. Dort gab es Freundschaft, Loyalität und ein Gefühl dafür, was richtig war. Das wollte er. Max hatte diese Dinge und wusste nicht, wie wertvoll sie waren.
Als Max seine Wunden mit der Salbe versorgt hatte, richtete sie sich auf, wischte sich die Finger an der Hose ab und schraubte das Glas zu. »Das müsste helfen. Wir machen noch einmal halt, und dann können wir uns einen Unterschlupf für den Tag suchen.« Sie warf einen Blick über die Schulter auf den Obsthain. Durch den Rauch waren die Bäume schlecht zu sehen. Sie presste die Lippen aufeinander. »In ein paar Stunden wird dieser Ort hier Holzkohle sein.«
Sie knallte die Tür zu und setzte sich ans Steuer. Sie erreichten die Auffahrt zum Julian Springs Obsthain, und Max bog ein, ohne langsamer zu werden. Als sie sich dem Haus näherten, verließ sie die Straße und fuhr direkt über den Rasen Richtung Quellgrotte. Der Pick-up holperte über den unebenen Boden und die Trümmer des Hauses.
»Was machst du da?«, fragte Alexander.
»Wir sind wegen der Wintergreisin gekommen, und wir fahren hier nicht ohne sie weg.«
»Haben wir Zeit, sie zu suchen?« Er nahm eine gewisse Sprödheit an Max wahr. Sie bewegte sich am Rande von etwas, das er nicht genau bestimmten konnte. Etwas Gefährliches. Ihre Stimmung hatte sich gewandelt, als sie in den Rauch hinausgeschaut hatte, und er hatte keine Ahnung, warum. Ihre Miene war verhärtet, und sie hatte sich wieder in sich selbst zurückgezogen. Langsam begriff er, dass es sich um einen Schutzmechanismus handelte, und so wie er es sah, brauchte sie Schutz. Sie war mutig und gewandt und zäh. Aber sie hatte auch die Angewohnheit, sich in Gefahr zu begeben, um ihre Leute zu beschützen, ohne dabei an sich zu denken.
Er schnaubte leise. Anscheinend war sie zu dem Schluss gekommen, dass er zu ihren Leuten gehörte. Sie war so überzeugt davon, dass sie sich Giselle widersetzt und dabei geholfen hatte, Kev zurückzuschlagen, um anschließend seine Wunden zu versorgen. Und sie hielt ihn für verrückt.
Sie bremste scharf und legte den Parkgang ein, ohne den Motor abzustellen. Ein dichter Ascheregen ging nieder und bildete eine Schicht auf Motorhaube und Windschutzscheibe. Wortlos sprang sie aus dem Auto. Alexander folgte ihr stolpernd. Die Salbe hatte seine Schmerzen gelindert, aber er war nach wie vor so ungeschickt und schwach wie ein neugeborenes Kalb.
Er folgte ihr um den Pick-up herum. Sie hatte die Klappe hinten an der Ladefläche geöffnet und mühte sich mit einem Felsbrocken ab – es handelte sich um den, über den sie gestolpert war, als er sie von hinten attackiert hatte. Ihre Muskeln traten hervor, als sie ihn an einem Ende anhob. Er schien außergewöhnlich schwer für seine Größe zu sein.
Alexander lief herbei und fasste mit an. »Ein Stein?«, fragte er, während er ihr dabei half, ihn anzuheben. Sie
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