Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
gewesen.
»Und?«, bohrte Max weiter.
»Und ich war verloren. Ich folgte ihrer Kutsche. Ich konnte nicht anders. Damals wusste ich es noch nicht, aber sie hatte mich mit einem Zauber belegt. In diesem neuen Land brauchte sie Shadowblades. Eines Tages lud sie mich in ihre Kutsche ein – und in ihr Schlafzimmer. Sie hat mich gefragt, ob ich ihre Geschenke wollte. Ich sagte zu allem ja. Zu allem. Ein Mann wie ich durfte nicht darauf hoffen, eine Frau in dieser Weise zu berühren, und doch lag ich dort in ihrem Bett. Allein schon die Bettlaken waren mehr wert als ich. Alles duftete wie in einem Garten. Innerhalb eines Monats war ich ein Shadowblade.«
»Tja, wenigstens hat sie dich flachgelegt. Giselle hat mich nur betrunken gemacht«, sagte Max verbittert. »In Ordnung. Fair ist fair. Ich bin in Iowa aufgewachsen und dort zur Uni gegangen, bis sich herausstellte, dass meine Mitbewohnerin eine Hexe war. Eines Abends sind wir in eine Bar gegangen, und sie hat angefangen, mir all diese Fragen zu stellen. Du weißt schon: Was wäre, wenn ich niemals krank werden würde, niemals altern … Ich meinte, dass das toll sein würde. Und plötzlich bin ich auf ihrem Altar aufgewacht.«
»Wann war das?«
»Neunzehnhundertneunundsiebzig.«
Alexander setzte sich auf. »Aber …«
»Aber was?«
»Die Sache ist nur, dass du so stark bist. Ich hatte erwartet, dass du älter bist.«
»Ich bin ein fünfzigjähriges Wunderkind. Wenn meine Familie mich jetzt nur sehen könnte.«
Da passierte es wieder. Ihre Miene verschloss sich, und sie zog sich in sich selbst zurück. Alexander spürte, wie sie sich in ihr Schweigen hüllte wie in eine Rüstung. Er suchte verzweifelt nach etwas – irgendetwas –, um sie im Hier und Jetzt zu halten. Der einzige sichere Weg, der ihm einfiel, bestand darin, mitten ins deutlich sichtbare Minenfeld hineinzurennen.
»Wo ist deine Familie?«, fragte er. »Du bist so jung – mit Sicherheit leben sie noch.«
Sie zuckte zusammen und wandte ruckartig den Kopf, um ihn anzusehen. Ihre Augen sahen aus wie schwarze Löcher. Alexander erstarrte und rechnete mehr als nur ein bisschen damit, dass sie ihm den Kopf abreißen würde. Ihre Hand schloss sich fester ums Steuer, und die andere ballte sie in ihrem Schoß. Sein Blick wanderte zu den Messern, die sie unterhalb der hochgeschobenen Ärmel an den Unterarmen trug, und er fragte sich, ob er nach seinem eigenen greifen sollte.
»Sie leben in der Nähe von Sacramento.«
Er war so überrascht darüber, dass sie tatsächlich geantwortet hatte, dass er eine ganze Weile lang überhaupt nichts sagte. Schließlich fragte er: »Triffst du dich mit ihnen? Wissen sie es?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin einfach nur eines Nachts verschwunden, und sie haben mich nie wiedergesehen. In den Zeitungen hieß es, dass ein Landstreicher mich entführt hätte, und es gab eine große Suchaktion, aber natürlich hat man mich nicht gefunden. Ein paar Jahre später habe ich dafür gesorgt, dass die Cops Beweise für meinen Tod fanden. Ich wollte nicht, dass sie weiter hofften. Es hat sie fast umgebracht. Sie verließen Iowa und zogen ins Sacramento Valley, um Kirschen und Pfirsiche anzubauen. Inzwischen sind sie im Ruhestand und an einen Ort namens Del Webb gezogen – in ein Altersheim. Mein Bruder betreibt noch immer den Obsthain. Meine Schwester hat eine Bäckerei.«
Ihre Stimme war ausdruckslos, als hätten die Worte nichts mit ihr zu tun. Alexander wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte nie gewusst, was er zu neuen Shadowblades sagen sollte, die ihre Familien und Freunde aufgeben mussten – für den Rest ihres Lebens. Selange machte ihnen die Wahl leichter. Sie versprach, dass sie die Familien und Freunde von jedem Sunspear und jeder Shadowblade töten würde, falls sie mit jemandem aus ihrer Vergangenheit in Verbindung traten – und sei es nur versehentlich. Niemand zweifelte daran, dass sie ihren Worten Taten folgen lassen würde.
Er suchte noch immer verzweifelt nach einer Möglichkeit, damit sie weiterredete, als sie ihn erneut überraschte.
»Also, was ist mit dir? Hast du in San Diego jemanden zurückgelassen?«
Alexander dachte an Thor. »Einen. Einen Freund.«
»Für einen Mann deines fortgeschrittenen Alters ist das nicht viel. Du musst echt ein Arsch sein. Oder vielleicht hast du auch nur wirklich üblen Mundgeruch. Was von beiden ist es?«
Er war erfreut, den Humor in ihren Worten zu hören. Sie zog sich mit reiner Willenskraft aus
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