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Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)

Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Pharaoh Francis
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Morgen hatte nicht viel geöffnet, mit Ausnahme einer örtlichen Absteige, die zugleich als Bar und als Restaurant für Eisenbahnarbeiter diente. Sie kriegten gerade noch ein fettiges Frühstück, bevor sie sich in einem Hotel verkriechen mussten, doch Max war zu aufgekratzt, um zu schlafen. Sie ging im Zimmer auf und ab, während Alexander ihr zusah. Schließlich führte er sie an die Bettkante und drückte sie runter. Dann kniete er sich neben sie und massierte ihre verspannten Schultern. Max musste sich zusammenreißen, um nicht vor ihm zurückzuzucken.
    Seine Hände waren warm und wohltuend. Aber sie wollte nichts Wohltuendes. Sie musste etwas schlagen, schreien und fluchen. Ihr Magen verknotete sich vor Hilflosigkeit. Der Schmerz ihrer Bannzauber pochte und nagte an ihr, und Max war dankbar dafür. Der Moment, in dem sie verblassten, wäre der Moment von Giselles Tod – und wahrscheinlich auch vom Untergang Horngates. Ihr ganzer Körper wurde von Angst erfasst. Sie dachte nicht mehr an ihre Rache. Max betete zu allen Göttern, die sie hören wollten, dass Giselle sie zu einer Waffe gemacht hatte, die mächtig genug war, um Horngate zu retten. Denn wenn Magpie recht hatte, war Max ihre einzige Hoffnung.
    Schließlich gab Alexander die Schultermassage auf und kniete sich näher hinter sie, zog ihren Rücken an seine Brust und hielt sie locker fest.
    »Was machst du da?«, fragte sie und wollte sich ihm entziehen.
    »Du steckst nicht allein in dieser Sache. Ich bin hier, und ich bin so viel wert wie fünf Shadowblades – ich war schließlich mal Primus. Du kannst mich benutzen, wie es dir passt.«
    »Ich will dich nicht benutzen «, fauchte Max, sprang auf die Beine und wirbelte herum. »Scheiße, ich will überhaupt niemanden benutzen .«
    »Aber das musst du. Es entspricht dem, was du nun bist. Du bist die Prime der Shadowblades von Horngate, und du beschützt seine Hexe und den Sitz des Zirkels. Du setzt die Waffen ein, die zur Hand sind, und ich bin eine davon. Oder ist das Problem, dass du mir noch immer nicht traust?«
    Max erstarrte. Vertrauen war ein Sprung ins Ungewisse. Sie hatte ihn bei Alexander einmal gewagt, als sie ihm die Wahl gelassen hatte, Giselle zu dienen oder zu verschwinden. Und dann hatte er sie verraten. Oder auch nicht – da war sie sich noch immer nicht ganz sicher. Aber wenn er hier nur eine Rolle spielte, verdiente er einen Oscar. Das Problem hatte nichts mit ihm zu tun. Dass sie jemandem wirklich vertraut hatte, war vor dreißig Jahren zum letzten Mal geschehen, und Giselle hatte dieses Vertrauen zertrümmert. Max wusste nicht, ob sie überhaupt noch Vertrauen haben konnte.
    Und trotzdem wollte sie es mit Alexander wagen. Bei jedem seiner Blicke erkannte sie, wie gut er verstand, was es für sie bedeutete, das Leben ihrer Leute aufs Spiel zu setzen. Er begriff, wie wichtig es ihr war, auf sie aufzupassen und ihnen so wenig Schmerzen wie möglich widerfahren zu lassen. Und obwohl sie ihn erst seit ein paar Tagen kannte, wusste er bereits mehr über sie als jeder andere Mensch – mit Ausnahme von Giselle. Außerdem genoss sie seine Gesellschaft. Die Stunden draußen beim Konklave, vor dem Wettstreit, waren so … normal gewesen. Wie bei echten Menschen, die nicht dauernd gefoltert wurden und anderen die Kehlen durchschnitten.
    Er wartete auf ihre Antwort. Sein Blick lastete schwer auf ihr, und seine Miene wurde mit jeder verstreichenden Sekunde kälter. Sie öffnete den Mund, doch ihre Stimme versagte ihr den Dienst. Sie brachte nicht mal einen blöden Spruch raus. »Ich brauch eine Dusche.«
    Sie floh ins Badezimmer und blieb dort, bis das Wasser kalt wurde. Erst als sie aus der Dusche kam, wurde ihr klar, dass sie keine Kleider zum Wechseln mit ins Bad genommen hatte. »Großartig«, murmelte sie. In Alexanders unmittelbarer Nähe nackt zu sein wäre so, als würde man einem verhungernden Pitbull mit rohem Fleisch vor der Nase herumwedeln – wobei sie der Pitbull war. »Platz, Mädchen«, befahl sie sich und öffnete entschlossen die Tür.
    Alexander saß auf der Bettkante und zappte durch die Fernsehprogramme. Mit abwesender Miene schaute er zu ihr auf, doch seine Augen glühten. Seine Wut erfüllte den Raum und erschwerte das Atmen. Scheiße. Max zögerte und hielt das Handtuch fest an sich gedrückt. Sie schaute auf ihre Füße und hob den Kopf dann langsam wieder, bis ihre Blicke einander erneut begegneten. Sie schluckte. Die Wut hatte sich in etwas anderes verwandelt.

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