Shadowdwellers - Frank, J: Shadowdwellers
die erbärmliche Ausrede einer Mutter über ihr hing und sie in die Hölle wünschte.
Das Zweite war, dass sie ihr die andere Hälfte ihres Erbes schuldeten. Etwas, worum sich ihr rücksichtsloser Vater hätte kümmern müssen, was er jedoch nicht getan hatte. Wer auch immer es war, wahrscheinlich kümmerten ihn solche trivialen Dinge nicht und was sie für eine junge Frau bedeuten konnten, die vermutlich tief drin spürte, dass sie in die Welt um sie herum nicht richtig hineinpasste, die jedoch nie verstanden hatte, warum sie so fühlte. Das war ein Gefühl, das Magnus wahrlich verstehen konnte. Diejenigen, die wegen ihrer besonderen Fähigkeiten herausstachen, hatten es in der Kindheit oft schwer. Entweder war es ein Akt kosmischen Ausgleichs, dazu gedacht, das Einfühlungsvermögen derjenigen mit besonderen Kräften zu schärfen, damit sie lernten, was es hieß, wenn man von jemandem, der stärker war, drangsaliert wurde, oder es war nur eine Tatsache im sozialen Leben und einfach die Art und Weise, wie Eifersucht sich bei Kindern und Erwachsenen zeigte. Das zerstören zu wollen, was man nicht verstand, schien ein uraltes Bedürfnis zu sein. Er hatte als Kind mit dieser Bürde gelebt, sich gleichermaßen gegen Schikanen und gegen feindselige Erwachsene gewehrt, nur weil er Macht und Wahrheit handhaben konnte. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass jetzt ein paar von ihnen zu ihm kamen, um zu beichten.
Wäre Ashla mit ihren heilerischen Fähigkeiten ein reines Schattenwesen, wäre sie auf jeden Fall zur Dienerin ernannt worden. Die Fähigkeit der Schattenbewohner, sich selbst zu heilen, war zwar bemerkenswert, trotzdem wäre Ashla keineswegs überflüssig. Es gab auch Schwachstellen in Form von Viren und von Krankheiten, die selbst ihr hochentwickeltes System nicht abwehren konnte. Wenn sich erweisen würde, dass sie diese Krankheiten heilen konnte, wäre sie damit wertvoller als Platin.
Er überlegte, wie er mit ihr fliehen könnte. Sie hatte keinen Beatmungsschlauch im Hals, doch es gab eine Nahrungssonde und ein halbes Dutzend weiterer Zugänge, die ihren vegetierenden Körper am Leben erhielten.
Es drehte ihm den Magen um, jedoch aus anderen Gründen als bei Sophia Townsend. Magnus, genau wie Trace, konnte die Vorstellung einfach nicht ertragen, so zwischen Leben und Tod zu schweben. Es war unwürdig und sinnlos. Für einen Krieger war es eine schreckliche Demütigung. Doch immerhin war sie dadurch lang genug am Leben geblieben, bis einer ihrer Leute sie finden und wahrscheinlich wieder aus dem Koma holen konnte. In diesem Fall waren die ganzen Apparate immerhin zu etwas nütze gewesen.
Er machte sie rasch von den Maschinen an ihrem Bett ab und schaltete so schnell wie möglich den Alarm aus. Dabei zog er sich schwere Verbrennungen an den Händen zu, als das Licht darauffiel, doch er beachtete es kaum. Innerhalb weniger Minuten hatte er Ashlas zerbrechlichen Körper befreit, hob sie vom Bett und eilte mit ihr zu dem Fenster, durch das er hereingekommen war.
»Nicht gerade ein kleines Kunststück, das«, gestand er seiner bewusstlosen Begleiterin, während er die schnelle Route betrachtete, über die er durch die Dunkelheit hierhergekommen war. »Aber trotzdem machbar. Keine Angst, und sei ganz entspannt. Ich bringe dich sicher hinüber. Dann brauchen wir, glaube ich, ein Hospiz für Schattenbewohner, wo wir dich pflegen können, bevor wir uns auf den Weg nach Alaska machen. Die Dunkelheit dort ist lang und wunderschön, und Trace wird auf dich warten.«
Magnus ließ sich von ihrem Schweigen nicht entmutigen. Wann immer es ging, sprach er in den nächsten Tagen mit seinem Schützling, so als würden sie sich ganz normal unterhalten.
Als Trace von seinen Fesseln befreit wurde, verlief das ausgesprochen undramatisch. Er stand auf und verließ den Raum, nur um gleich daran erinnert zu werden, dass sie unterwegs waren. Doch es war noch immer tausendmal erträglicher als das beengende Gefühl um seine Handgelenke und Fußknöchel. Er war mit weichem Lammfell gefesselt gewesen und nicht mit Metall, doch das änderte nichts. Gefesselt war gefesselt, egal ob mit Spinnweben oder mit Titan.
Er verbrachte die ersten Tage seiner Freiheit grübelnd und schweigsam und ließ die nächtliche Landschaft unbeachtet vorbeiziehen, bis sie plötzlich stehen blieb. Sie brauchten Benzin, der einzige Grund, aus dem der Konvoi hielt. Ein paar der Lastwagen waren mit Tanks ausgerüstet, doch dieses Benzin war für
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