Shadowdwellers - Frank, J: Shadowdwellers
zerbrechen, wenn er zu fest zudrückte. Die Frauen in seiner Welt waren kräftig und stark, robust und furchtlos. Er hätte nicht gedacht, dass er je mit einer Frau zu tun haben würde, die so zart war. »Es gibt nichts, was du hier noch tun könntest.«
Doch sie schüttelte heftig den Kopf. Ihre Dickköpfigkeit verschlug ihm die Sprache. Was bildete sie sich bloß ein? Es war nur logisch, dass sie aus ihrer Sicht nicht wissen konnte, wer von den kämpfenden Männern der gerechtere und ehrenwertere war, und dass sie sich wahrscheinlich in Schwierigkeiten brachte. Sie stand Todesängste aus in seiner Nähe und wollte nichts mit seinem blutigen, durchlöcherten Körper zu tun haben, und trotzdem wollte sie sein Angebot, sie solle hier aufhören, nicht annehmen. Sie wollte ihn nicht allein lassen.
Die Frau war wirklich eine Idiotin.
2
Ashla war überzeugt, dass sie nicht ganz bei Trost war, als sie bei dem verletzten Mann blieb. Das Gute daran war, dass sein freundlicher Versuch, sie aus ihrer Pflicht zu entlassen, ihr half, mit dem Weinen aufzuhören und nur noch ein bisschen zu schluchzen. Nun konnte sie wieder klarer denken. Ashla glitt vorsichtig neben Trace und biss sich kurz auf die Lippe, als sie ihre Möglichkeiten durchging.
»Ich muss Sie auf die Seite drehen, um mir Ihren Rücken anzuschauen. Es wird wehtun.«
»Ja. Das wird es. Ich habe doch schon gesagt … «
»Nun, unterhalten Sie mich ruhig ein bisschen! Es ist ja nicht so, dass Sie zu spät zu einer Verabredung kommen oder so.«
Trace beobachtete, wie sie sich gereizt durch die Haare fuhr und ihre Finger Blut in den goldenen Strähnen verteilten. Er wies sie nicht darauf hin, weil er nicht wollte, dass ihr noch einmal schlecht wurde, sondern zog lediglich ein Knie an, um ihr dabei zu helfen, ihn auf seine rechte Seite zu rollen. Es war gar nicht nötig, dass er ihr Aufstöhnen hörte, um bestätigt zu bekommen, was er ohnehin fühlen konnte. Sie löste die Fetzen seines Hemds ab und sah, wie das Blut in pulsierenden Stößen über seinen Rücken sickerte. Die Wunde, die Baylor ihm zugefügt hatte, war mindestens drei Zentimeter breit. Während der andere Schattenbewohner im Schwertkampf nur mittelmäßig war, hatte er mit seiner Lieblingswaffe, dem Dolch, stets den Tod gebracht. Knapp zwanzig Zentimeter Stahl in Baylors Hand hatten Trace getötet, lange bevor es Trace gelungen war, Baylor zu töten.
Ashla biss sich fest auf die Lippe und versuchte sich zusammenzureißen. Es stimmte, die Stichverletzung war schlimm. Seine Lebenskraft versiegte rasch mit jedem Pulsschlag. Doch genauso schockierend war es für sie, zu sehen, dass das beileibe nicht sein erster Kampf oder seine erste Verletzung war. Er war übersät von Narben. Oder von dem, was eigentlich Narben hätten sein sollen. Sie sahen seltsam geglättet aus und ohne raue Maserung, da, wo sie eigentlich rissig und zerklüftet sein sollten. Trotzdem waren es Narben, rosa und blass auf seiner dunklen Haut, und sie bildeten auf seinem Rücken ein Muster, als ob ein Tier ihm immer wieder die Krallen hineingeschlagen hätte. Es gab auch noch andere Spuren, die bezeugten, dass er Raubbau mit seinem Körper getrieben hatte.
Doch sie musste diese ganze dramatische Vorgeschichte außer Acht lassen und sich ganz auf die momentane Verletzung konzentrieren. Ashla berührte die Wunde mit unsicheren Fingern und biss die Zähne zusammen, als sie spürte, dass die Flüssigkeit bei ihrer Berührung schnell klebrig wurde. Schaudernd sog sie die Luft ein, als sie bemerkte, dass er nicht übertrieben hatte. Die Wunde war absolut tödlich. Allein schon die große Menge Blut, die er in der kurzen Zeit verloren hatte, sagte es ihr. Dafür brauchte man kein Arzt zu sein. Sie konnte sogar spüren, wie die Wärme seiner Haut unter ihrer Berührung schwand und der Hauch des drohenden Todes über ihn kroch.
Irgendetwas daran weckte einen tief sitzenden Zorn in ihr, von dem Ashla gar nicht gewusst hatte, dass er ihn ihr schlummerte. Seit sie in dieser dunklen Version der Welt wieder erwacht war, war sie das Gefühl nicht mehr losgeworden, dass sie vollkommen durchgefroren war. Seine Körperwärme war das Tröstlichste, was sie seit langer Zeit gespürt hatte. Selbst als sie die wenigen Minuten voller Angst unter ihm gefangen gewesen war, hätte sie am liebsten geweint vor Erleichterung, überhaupt so etwas wie menschlichen Kontakt zu spüren. Vielleicht hatte es geholfen, dass es ein machtvoller und lebendiger
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