Shadowdwellers: Magnus (German Edition)
dem Sanktuarium, der alle Bilder von M’gnone und Licht zeigte. Am liebsten mochte sie den im Tempel, der wie ein Nebenfluss an der ganzen Wand entlangführte, gearbeitet aus Naturstein und verwandelt in großartige Gemälde vom Traumreich. Es gab das Bild eines eindrucksvollen Kriegers, den Wind im gelockten Haar und mit einem langen Schwert in der einen Hand, während die andere sich Kraft vom Himmel holte. Sie war sich nicht sicher, ob es Absicht war, doch das gemeißelte Gesicht mit seinen tiefen männlichen Linien erinnerte sie sehr an Magnus.
Es war Nicoya, der sie beim Brunnen in die Arme lief. M’jan Shilohs Dienerin ging mit artig gefalteten Händen, doch es kam Daenaira so vor, als täte sie es, um die Arme seitlich an ihre Brüste zu pressen und damit das Dekolleté ihrer engen Bluse praller zu machen.
»Nun, ist das nicht unser neues schüchternes Mäuschen«, grüßte sie, und an ihrem zurückhaltenden Lächeln ließ sich nicht ablesen, ob das sarkastisch gemeint war oder nicht. Dae beschloss, erst einmal neutral zu bleiben. Zumindest so lange, bis die andere sie wirklich provozierte. Sie konnte riechen, dass Ärger in der Luft lag.
»Guten Abend, K’yan Nicoya.«
»Guten Abend. Wie geht es dir, meine Liebe? Ich habe gehört, was passiert ist. Das muss man sich mal vorstellen, so etwas ausgerechnet in diesen Hallen. Das Sanktuarium scheint dem Untergang geweiht zu sein. Erst das Durcheinander mit Karri – nun, du weißt Bescheid über Magnus’ frühere Dienerin, oder?«
Nicht im Einzelnen, doch sie hatte den Bemerkungen, die Magnus gemacht hatte, einiges entnehmen können. Nicoyas Bemerkung bestätigte das nur.
»Ich habe ein paar Dinge gehört, ja«, sagte sie ehrlich, und ihr scharfer Instinkt riet ihr, die Art und Weise, wie Nicoya die Arme hielt, nachzuahmen, und so ihre Hände den verborgenen Waffen zu nähern, die sie trug.
»So ein tragisches und schreckliches Ereignis«, sagte Nicoya flüsternd, während sie sich leicht nach vorn beugte. »Und so hinterlistig. Man fragt sich, was mit M’jan Magnus los war, dass eine Frau zu einem Mordversuch getrieben wurde.«
Mordversuch! Karri hatte versucht, Magnus zu töten? Sie hatte an Verrat gedacht oder an etwas ähnlich Ernstes, aber die Kaltblütigkeit zu haben, ihren eigenen Priester zu töten? Und vor allem diesen? Und das in dem Wissen, dass man den Zorn des berühmtesten Bußpriesters aller Zeiten auf sich zog, wenn es nicht gelang? Nicoya hatte recht. Die Frage lautete, warum.
»Nun, wenn jemand es herausfinden kann, dann werde ich das wohl sein«, bemerkte Dae vorsichtig. »Ehrlich gesagt, ich habe nicht darum gebeten, dass ich hierherkommen darf, und ich habe es mir auch nicht gewünscht. Doch es gibt etwas zu essen, ein Dach über dem Kopf und mehr Freiheit als da, wo ich vorher war, also komme ich klar.«
»Du wolltest nicht … ? Wirklich?« Nicoya schien das sehr interessant zu finden, während sie ein Lächeln hinter künstlicher Betroffenheit verbarg. »Armes Ding. Die meisten von uns sind so erpicht darauf, in das Sanktuarium zu kommen. Wir können uns gar nicht vorstellen, dass die Auserwählten hier sind, ohne dass sie es wirklich gewollt hätten.«
»Kommt das oft vor?«
»Ich nehme an, einmal ist schon einmal zu viel«, sagte die andere Dienerin philosophisch. Dae musste zugeben, dass das eine treffende Bemerkung war. Doch nach zwei Nächten unter Magnus’ aufmerksamer Fürsorge, während sie im Bett gelegen hatte und genesen war, hatte ihr die Last seiner unausgesprochenen Schuld an dem Angriff viel über ihn verraten. Er hatte von Vertrauen und Loyalität gesprochen, und es wurde deutlich, dass er genauso bereit war, sich um sie zu kümmern, wie man von ihr erwartete, dass sie sich um ihn kümmerte.
»Und dann konnte er dich nicht einmal beschützen! Ich muss sagen, das hat bei denen, die ihn ohnehin infrage stellen, nicht gerade Vertrauen erweckt. Nicht, dass ich so denken würde. Magnus wird immer Magnus sein. Shiloh ist sein engagiertester Fürsprecher, und ich folge meinem Priester, wohin er mich auch führt.« Sie legte die gespreizte Hand auf ihr Herz und verneigte sich leicht. Es war eine schöne Geste und genauso schön vorgeführt.
»Magnus dürfte sehr erleichtert sein, das zu wissen. Tatsächlich werde ich ihm das sagen müssen.«
»Oh nein«, wandte sie ein. »Ich nehme an, er weiß das schon. Und nun zu dir, meine Liebe. Kommst du denn gut zurecht? Es gibt so viele Gerüchte, da ist es schwer, die
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