Shadowdwellers: Magnus (German Edition)
wiederholten), wobei jeder Schattenbewohner mit normalem Gehör im Palast den Krawall mitbekam. Mit verschmitztem Lächeln dachte sie, dass sie irgendwie stolz war auf den geilen Saukerl von Bruder. Die Frauen flehten um Gnade, und nach dem Lärm zu urteilen, brauchte Tristan nur eine kurze Erholungszeit. Die Gerüchte genügten jedenfalls, um seine Eignung als Herrscher infrage zu stellen.
Doch Malaya kannte ihn besser. Er nahm seine Führungsrolle sehr ernst. Das hatte er stets getan. Er hatte den ganzen Krieg über und während all der Zwistigkeiten an ihrer Seite gestanden und aufgrund ihres Stammbaums Anspruch auf den alten Thron erhoben, um die Monarchie wiederzubeleben, die ihre Leute so dringend gebraucht hatten. Tristan hatte im Alleingang den Bau der Schattenwandlerstadt koordiniert, die sicher unter den Bergen Alaskas lag. Es war von Beginn an seine Idee gewesen, Senat und Sanktuarium unter einem »Dach« zu vereinen und dann nach und nach auch die Klans miteinzubeziehen, damit sie ihren Status als Schattenbewohnermacht zurückerlangten. Nachdem die Klans sich schließlich gänzlich aufgelöst hatten, war jeder in der Stadt willkommen geheißen worden, und jetzt war hier der Mittelpunkt ihrer Kultur und ihres Lebens. Sie war verborgen vor den Augen der Menschen und bot jedem Schattenbewohner, der dort lebte, Schutz. Es gab ausreichend Lebensmittel und Wärme und alles andere auch: Bildung, Religion, Wahlen.
Das waren nicht die Leistungen eines sexsüchtigen Playboys. Doch die Leute vergaßen solche Dinge schnell, und Tristan hatte nichts getan, um die Sache richtigzustellen.
Es war fast so, als wollte er sich selbst zerstören.
Sie konnte spüren, dass Ärger drohte.
Malaya blickte zu ihrer Wesirin Rika, einer dünnen und zerbrechlichen Frau, die viel älter und weiser war als Malaya, obwohl die aufgrund ihrer zarten Konstitution oft jünger aussah als sie. Ihre Spezies war hochgewachsen, Amazonenfrauen, stark und voller Kraft und normalerweise mit üppigen Kurven. Malaya hatte das alles, bis hin zu den Kurven, obwohl ihre Lebensführung sie davor bewahrte, zu viel davon zu bekommen.
Doch Rika war anders. Zumindest in letzter Zeit. Obwohl sie von durchschnittlicher Größe war, hatte sie durch Krankheit alles verloren, bis auf ihre immerwährende Schönheit. Die Krankheit hieß Crush, und der Name war passend gewählt nach dem, was sie sowohl den Opfern als auch den Angehörigen antat. Bei Rika hatte sie erst kürzlich zur Erblindung geführt, und es schien sich zu verschlimmern. Trotz dieser Einschränkung richtete Rika die Augen auf Malaya und rollte sie in komischer Nachahmung der orgiastischen Schreie, die ihr Zwillingsbruder durch den Flur schickte.
»Er ist heute Nacht besonders gut in Form«, bemerkte sie trocken.
Ja, das war er. Was im Grunde nicht gut war. Tristan zog sich früh und voller Wut zurück, wenn sein Geist beschwert war. Es war, als fürchtete ihr Bruder, er würde überschnappen, wenn er seine dunklen Gedanken nicht durch sexuelle Entspannung austrieb. Sie hatte seiner Gymnastik gelauscht, obwohl sie es sowieso nicht hätte vermeiden können, und sie hatte bemerkt, dass er trotz des Genusses seiner Partnerin doch Befreiung suchte. Und das schon nach einer Stunde.
Malaya ließ den Blick über Guin, ihren Leibwächter und vertrauten Diener, gleiten. Der große, bildschöne Krieger war seit fünfzig Jahren an ihrer Seite, und das bedeutete, dass er Tristan genauso lange kannte. Er war sich wohl bewusst, dass sie sich Sorgen um ihren Bruder machte, und er runzelte die Stirn, während er reglos und wie ein Monolith dastand.
»Du bist ein Mann«, sagte sie plötzlich und wandte sich ihm zu.
»Jaaa«, sagte er langsam und hob überrascht und belustigt eine Braue. »Ich kann das jedes Mal beim Aufwachen feststellen.«
»Meine Güte! Das ist zu viel Information«, kicherte Rika.
Malaya lächelte. »Ich denke, dass Tristan ihn in der Kategorie ›zu viel Information‹ längst geschlagen hat«, bemerkte sie. Dann wandte sie sich wieder an Guin. »Was, meinst du, treibt einen Mann zu solcher Zerstreuung?«
Guin zögerte, als bewegte er sich einem Minenfeld.
»Nein. Sei ganz ehrlich«, ermunterte sie ihn. »Du bist nicht hier, um mir Honig ums Maul zu schmieren.«
»Gut, denn er ist nicht besonders gut darin«, sagte Rika kichernd.
Malaya musste lachen. Es war wohltuend, ihre Wesirin in so heiterer Stimmung zu sehen. Es war eine gute Woche gewesen für die kränkelnde Rika. Und
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