Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
die Luft, und ich spürte einen leichten Wind, als alle Unseelie im Club gleichzeitig die Köpfe zu mir drehten.
Für den Bruchteil einer Sekunde war alles still, wie erstarrt.
Sobald die Geräusche und Bewegungen wieder einsetzten, war als Erstes das Klirren von Kristall zu hören, als das Weinglas, das der Junge mit den verträumten Augen in die Luft geworfen hatte, auf dem Boden auftraf und zerschellte. Der große, hagere Mann gab einen erstickten Laut von sich, und seine Karten spritzten regelrecht auf und flatterten auf die Theke, auf meinen Schoß, auf den Boden.
Ha , dachte ich, jetzt hab ich dich, hübscher Junge. Er war auch ein Spieler auf dem großen Schachbrett. Aber wer war er, und auf welcher Seite stand er?
»Wer bist du wirklich, Junge mit den verträumten Augen? Und wieso tauchst du immer wieder dort auf, wo ich gerade bin?«
»Denkst du so? Würdest du mich in einem anderen Leben zum Abschlussball begleiten? Mich nach Hause einladen, damit mich deine Eltern kennenlernen? Mir vor der Haustür einen Gutenachtkuss geben?«
»Ich sagte, Sie sollen an meiner Seite bleiben«, grollte Barrons hinter mir. »Und erwähnen Sie das verdammte Buch nicht in diesem Haus. Bewegen Sie Ihren Hintern, Miss Lane – sofort. « Er packte meinen Arm und zerrte mich von dem Barhocker.
Karten rutschten von meinem Schoß, als ich aufstand. Eine hatte sich in meinem Pelzkragen verfangen. Ich nahm sie weg und wollte sie schon fallen lassen, aber im letzten Moment hielt ich inne und schaute sie mir an. Das Fear Dorcha benutzte Tarotkarten. Das Bild auf der Karte, die ich in der Hand hielt, war rot und schwarzeingerahmt und zeigte einen Jäger, der über eine Stadt flog. Die Küste in der Ferne bildete eine dunkle Grenze zu dem silbrigen Meer. Auf dem Rücken des Jägers saß zwischen den mächtigen Flügeln eine Frau mit wehenden Locken. Durch die Haare konnte ich ihren Mund sehen. Sie lachte.
Das war eine Szene aus meinen Träumen der letzten Nacht. Wie konnte eine Tarotkarte meinen Traum darstellen?
Was war auf den anderen Karten abgebildet?
Ich warf einen Blick auf den Boden. Neben meinem Fuß lag die Fünf der Pentakel. Eine schattenhafte Frau stand auf einem Bürgersteig und spähte durch ein Fenster in einen Pub, um eine Blondine zu betrachten, die in einer Nische mit Freunden zusammensaß und lachte. Das war ich, die Alina beobachtete.
Auf der Karte mit der Überschrift »Macht« saß eine nackte Frau im Schneidersitz in einer Kirche, hielt den Blick auf den Altar gerichtet, als würde sie um Absolution bitten. Das war ich nach der Vergewaltigung.
Die Fünf der Kelche zeigte eine Frau, die Fiona verblüffend ähnelte; sie stand weinend im Buchladen. Im Hintergrund entdeckte ich … ich bückte mich, um besser sehen zu können … ein Paar meiner High Heels? Und meinen iPod!
Auf der Sonnenkarte räkelten sich zwei junge Frauen in Bikinis der eine limonengrün, der andere pinkfarben – in der Sonne an einem Strand.
Dann war da noch die Karte des Todes: Ein grimmiger Schnitter mit schwarzem Kapuzenumhang und Sense in der Hand stand vor einer blutverschmierten liegenden Frau. Mallucé und ich.
Es gab noch eine andere, auf der ein leerer Kinderwagen stand, in dem eine der menschlichen Hüllen, die Schatten hinterließen, lag; daneben befanden sich ein Kleiderhaufen und Schmuck. Ich strich mir mit beiden Händen das Haar zurück.
»Prophezeiungen, schönes Mädchen. Sie kommen in allen Formen und Größen.«
Ich schaute auf. Der Junge mit den verträumten Augen standnicht mehr hinter der Bar, und auch der große, hagere Mann war weg.
Auf dem Tresen lag sorgfältig platziert neben einem frisch eingeschenkten Whisky und einem vollen Guinnesskrug eine weitere Karte mit dem Bild nach unten. Die Rückseite war schwarz und silbern gemustert.
»Jetzt oder nie, Miss Lane. Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit.«
Ich kippte den Whisky hinunter, griff nach der Karte und steckte sie für später in die Tasche.
Barrons manövrierte mich zur verchromten Treppe, die von zwei Männern bewacht wurde. Die beiden hatten mich beim letzten Mal in die obere Etage begleitet und zu Ryodan geführt. Sie waren sehr groß, trugen schwarze Hosen und T-Shirts. Beide waren bemerkenswert muskulös und hatten jede Menge Narben auf Händen und Armen. Sie waren mit kurzläufigen Automatikwaffen ausgerüstet und hatten Gesichter, welche die Blicke auf sich zogen, auch wenn man am liebsten sofort wieder wegschauen wollte.
Als wir
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