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Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)

Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)

Titel: Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Marie Moning
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sich den Zettel und rannte los.
    Ich sah mich nach Barrons um – wir waren in der Menge getrennt worden. Ich stieß die Seidenschnüre, die vor meinem Gesicht baumelten, weg.
    »Wollen Sie keinen?«, zwitscherte eine Rothaarige, während sie nach einer Schnur grabschte.
    »Was ist da drin?«, erkundigte ich mich argwöhnisch.
    »Einladungen, Dummerchen! Wenn man Glück hat. Aber es sind nicht viele. Wenn man eine erwischt, darf man sich die ganze Nacht in einem der Separees am heiligen Fleisch der Unsterblichen laben«, schwärmte sie hingerissen. »Und in anderen Ballons sind Geschenke.«
    »Was zum Beispiel?«
    Sie stach mit einem zierlichen goldenen Pfeil auf den Ballon ein. Der Ballon platzte, und es regnete grünen Schleim mit kleinen zappelnden Fleischstücken darin.
    »Jackpot!«, kreischte jemand.
    Ich wich gerade noch rechtzeitig aus, sonst wäre ich wahrscheinlich zertrampelt worden.
    Die Rothaarige schrie: »Wir sehen uns im Feenreich!« Dann ließ sie sich auf alle viere fallen und leckte den grünen Schleim vom Boden, um so viele Fleischstücke wie möglich zu erwischen.
    Wieder suchte ich Barrons. Wenigstens roch ich nicht nach Angst. Dazu war ich zu angewidert und aufgebracht. Ich bahnte mir einen Weg durch die verschwitzten, drängelnden Leiber. Das sollte meine Welt sein? Das war aus uns geworden? Was, wenn es uns nie gelang, die Mauern wieder aufzurichten? Musste ich dann mit solchen Auswüchsen leben?
    Ich schubste die Leute beiseite.
    »Passen Sie doch auf«, fauchte eine Frau.
    »Ruhig Blut, Schlampe«, krächzte ein Kerl.
    »Bettelst du um einen Arschtritt?«, drohte ein Mann.
    »Hey, schönes Mädchen!«
    Mein Kopf zuckte herum. Es war der Junge mit den verträumten Augen, der mit Christian im Institut für Altsprachen des TrinityColleges gearbeitet und später, als die Mauern gefallen waren, als Barmann im Chester’s angefangen hatte.
    Bei unserer letzten Begegnung hatte sich mir ein unheimlicher Anblick geboten, als ich sein Spiegelbild betrachtete. Doch jetzt stand er hinter einer schwarzweißen, vollkommen verspiegelten Bar, schob Gläser hin und her und schenkte mit schwungvollen Bewegungen Drinks aus, und er sah auch in den Spiegeln aus wie der hübsche junge Mann mit den verträumten Augen, die mein Herz sofort zum Schmelzen gebracht hatten.
    Dieser Typ tauchte immer wieder auf, und allmählich glaubte ich nicht mehr an Zufälle. Obwohl ich es kaum erwarten konnte, meine Eltern zu sehen, entschied ich, dass sie noch ein wenig warten mussten. Ich setzte mich an die Bar neben einen großen, hageren Mann im Nadelstreifenanzug und Hut; er mischte mit skelettartigen Händen Spielkarten. Unter der Hutkrempe befand sich kein Gesicht – Schatten umwirbelten es wie kleine Tornados.
    »Interessiert an Ihrer Zukunft?«, fragte das Wesen.
    Ich schüttelte den Kopf und überlegte, wie es ohne Mund sprechen konnte.
    »Ignorier ihn, schönes Mädchen.«
    »Soll ich Ihnen zeigen, wer Sie sind?«
    Wieder schüttelte ich den Kopf und wünschte, das Ding würde verschwinden.
    »Erträumen Sie ein Lied für mich.«
    Ich verdrehte die Augen.
    »Singen Sie eine Zeile.«
    Ich drehte mich weg von ihm.
    »Zeigen Sie mir Ihr Gesicht, dann zeige ich Ihnen meins.« Er fing wieder an, die Karten zu mischen.
    »Hören Sie, ich hab keine Lust …«
    Ich verstummte – es war mir unmöglich, auch nur ein weiteres Wort herauszubringen. Wie ein Fisch auf dem Trockenen öffnete und schloss ich den Mund, aber ich schnappte nicht nach Sauerstoff, sondern nach Worten. Es war, als würde jemand all die Sätze,mit denen ich geboren war und die ein Leben lang ausreichen sollten, aus mir heraussaugen. Meine Gedanken, die Art, wie ich sie artikulieren würde – all das war weg. Das Wesen hatte mir alles, was ich je gesagt hatte, was ich einmal sagen würde, geraubt. Ich spürte einen fürchterlichen Druck in meinem Kopf, als würde mein Gehirn von dem befreit, was mich ausmachte.
    Mich beschlich die verrückte Vorstellung, dass ich jeden Moment so leer hinter meinem Gesicht sein könnte wie er unter der Hutkrempe und dass ein dunkler Tornado unablässig in meinem Schädel wüten würde. Vielleicht, wirklich nur vielleicht hatte das Wesen irgendwann alles, was es von mir wollte, und ein Stück seines Gesichtes würde sichtbar.
    Mich packte das Entsetzen.
    Ich sah den Jungen mit den verträumten Augen verzweifelt an. Er schaute weg und schenkte einen Drink ein. Ich sandte seinem Spiegelbild hinter der Bar eine stumme Bitte

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