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Shakespeare erzählt

Shakespeare erzählt

Titel: Shakespeare erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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weswegen. Er mag sich selber nicht. Wie er dasitzt, Mundwinkel nach unten, grau, ungesellig. Hat er Ahnungen? Ja, es ist ihm, als habe er Ahnungen. Aber was für Ahnungen? Und warum ist ihm so?
    Und dann sehen sie Florizel. Sie erkennen ihn sofort. Er hat sich nur andere Kleider angezogen, hat das Prinzengewand eingetauscht gegen den Bürgerrock. Polyxenes und Camillo dagegen haben sich außerdem falsche Bärte und falsche Augenbrauen aufgeklebt und sich andere Frisuren machen lassen.
    Florizel sitzt etwas abseits vom Geschehen, und er ist nicht allein. Ein hübsches Mädchen sitzt bei ihm, sehr nahe bei ihm, die sieht klug aus, die sieht wendig aus. Manchmal lehnen sie sich weit zurück und lachen aus süßem Herzen, dann wieder werden sie ganz still, berühren einander mit ihren Stirnen und haben die Arme aufgestützt und die Hände an ihren Schläfen, so daß ihre Gesichter wie in einem Zelt verborgen sind, und dieses Zelt ist warm von ihrem Atem.
    »Ahaaaaa!« sagt Polyxenes und flattert mit seinen falschen Augenbrauen Camillo Bedeutung zu.
    »Ein schönes Mädchen«, sagt Camillo und ärgert sich, daß ihm nur so etwas Karges eingefallen ist.
    »Mehr als schön«, sagt Polyxenes. »Wir wollen ein bißchen näher heranrücken, damit wir verstehen, was die beiden sich zu sagen haben.«
    Aber als sich die beiden in Lauschdistanz gebracht haben, steht das Mädchen auf und verläßt Florizel.
    »Hat sie schon genug von ihm?« fragt Polyxenes.
    »Vielleicht hat sie etwas zu tun«, flüstert Camillo zurück.
    »Was gibt es Wichtigeres zu tun, als mit dem Sohn des Königs zu flirten?«
    »Sie weiß ja nicht, daß er Euer Sohn ist.«
    Perdita muß an diesem Tag arbeiten. Sie kann leider nicht die ganze Zeit bei ihrem Geliebten sitzen und Zelt spielen. Sie ist die Tochter des Schäfers, sie muß zusehen, daß die Gäste zu essen und zu trinken kriegen. Auch den beiden fremden Bürgern bringt sie Teller und Gläser, wundert sich über den einen, weil der die ganze Zeit so bedeutungsvoll grinst; wundert sich andererseits auch wieder nicht, weil sie oft von älteren Herren bedeutungsvoll grinsend angestarrt wird.
    Als Florizel allein vor seinem Bier sitzt, weil Perdita bedienen muß, vergißt Polyxenes, was er Camillo versprochen hat, nämlich daß er den Mund halten wird, und setzt sich zu seinem Sohn. »Wie geht’s, junger Mann?«
    »Gut.«
    Der falsche Bart und die falschen Brauen sind sauber gearbeitet, der Sohn erkennt den Vater nicht.
    »Ich hoffe, Ihr verzeiht mir«, sagt Polyxenes. »Ich beobachte Euch schon die längste Zeit, Euch und dieses hübsche Mädchen.«
    »Ich habe nichts dagegen«, sagt Florizel. Dieser Bürger ist ihm sympathisch, ja, irgendwie erinnert er ihn an seinen Vater. »Und ich gebe Euch recht: Sie ist hübsch.«
    »Und sie sieht auch klug aus.«
    »Sie ist klug.«
    »Ich finde sogar«, sagt Polyxenes, »sie hat einen edlen Zug um das Kinn. Und ein edles Profil hat sie auch.«
    »Edel sind nicht nur die Damen am Hof«, sagt Florizel.
    »Da sind wir ganz Eurer Meinung.« Und Polyxenes stößt Camillo in die Seite. »Nicht wahr?«
    »Ganz Eurer Meinung«, schluckt Camillo heraus und ärgert sich wieder über sich selbst: Nicht einen spritzigen Satz krieg ich heraus!
    »Andererseits«, sagt Polyxenes, »hat es auch wieder Nachteile, wenn so ein Mädchen allzu hübsch, allzu klug, allzu edel ist.«
    »Was für einen Nachteil könnte das haben?« fragt Florizel.
    »Nun ja, es besteht die Gefahr, daß man sich in so ein Mädchen verliebt.«
    »Die Gefahr?«
    »Nun ja. Man ist ein junger Mensch, wie Ihr einer seid, man will in die Welt hinaus, das Leben kennenlernen, sich umsehen, wie man dazu sagt. Da will man sich ja nicht gleich verlieben. Da bleibt man ja kleben, noch ehe man den ersten Horizont erreicht hat.«
    »Ich habe mich verliebt«, sagt Florizel.
    »Was?«
    »Ja, ich habe mich in dieses Mädchen verliebt«, wiederholt Florizel, und sein Gesicht wird glücklich.
    »Aha.« Diesmal flattert Polyxenes nicht mit seinen falschen Augenbrauen dem Camillo zu. Dieses »Aha« ist ein baffes. »Ihr habt Euch in sie verliebt? Seid Ihr Euch da ganz sicher?«
    »So sicher, wie meine Ohren heiß werden, wenn ich sie sehe.«
    »Nun ja, das kann vorkommen.« Polyxenes’ Stimme hat einen schroffen Klang bekommen. »Verliebt ist man schnell, und schnell ist es wieder vorbei.«
    »Es wird nicht vorbei sein«, sagt Florizel. Und nun gerät er ins Reden. Eben weil ihm dieser Bürger so sympathisch ist. »Ihr

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