Shakespeare erzählt
bocken.«
»Und wie macht man das, das Theater?«
Und der ihm den Rat gab, hat auch schon einen Plan: »Schreib einen Theaterwettbewerb aus! Alle Theatergruppen der Stadt und der Umgebung sollen ein Stück vorlegen. Das beste wird ausgesucht und an deinem Hochzeitsabend aufgeführt.«
»Kultur«, sagt Theseus zu Hippolyta und reibt sich die Hände. »Kultur! Du wirst sehen: Kultur!«
Da platzt ein Mitstreiter des Theseus aus den lustigen und brachialen Kriegstagen herein, Egeus. Er hat ein ganz anderes Problem. Kultur ist ihm völlig wurscht. Er wüßte gar nicht, wo er die in seinem Haus hinstellen sollte. Schon ohne Kultur weiß er nicht, wo ihm zu Hause der Kopf steht. Da spielt sich genug Theater ab. Da braucht es keinen Wettbewerb. Tochter Hermia heißt das Problem. Hübsch ist sie ja. Aber so eine Stirn! Hermia soll den Demetrius heiraten. Aber sie will nicht. Sie will den Lysander heiraten. Partout.
»Wieso denn?« brüllt Egeus seine Tochter an. »Um Himmels willen, wieso! Schau doch den Demetrius an! Einmal wenigstens! Er ist stark. Er sieht gut aus, ist gut gebaut. Und gesund soll er auch sein. Jedenfalls ist mir nichts Gegenteiliges gemeldet worden!«
»Ja«, sagt Hermia, »der Lysander ist auch stark und sieht auch gut aus und ist ebenfalls gesund. Aber obendrein liebe ich ihn, und er liebt mich auch.«
»Ja«, brüllt der Vater, »dann steht es eins zu eins. Der Demetrius liebt dich doch auch. Und wie der dich liebt! Stimmt’s, Demetrius?«
»Und wie!« brüllt jetzt auch der Demetrius. »Und wie!«
»Siehst du, Hermia! Der Demetrius liebt dich. Ganz wahnsinnig liebt er dich sogar!«
»Eben«, sagt Hermia.
Der Demetrius ist ein Choleriker. Immer einen roten Kopf. Ein Konflikt kann noch so winzig sein, sofort wird ihm der Hals dick, sofort pfeift ihm der Dampfkessel.
Ganz anders der Lysander: ein ruhiger, bescheidener Mann. Handlich. Volles Haar. Strich und Gegenstrich fühlen sich gleich weich an. Gesichtshaut entspannt blaß. Blutdruck nie über fünfundsiebzig zu einhundertfünfundzwanzig. Außerdem macht Lysander der Hermia die Führungsrolle nicht streitig.
Oft kommt es vor, daß Hermia sagt: »Lysander!«
Dann sagt er: »Ja?«
»Wollen wir zwei heute gemeinsam Stoff auf dem Markt aussuchen? Das tust du doch auch gern?«
»Ja.«
»Sag ruhig, wenn du es nicht gern tust!«
»Ja.«
»Du kannst ruhig nein sagen.«
»Ja.«
Hermia ist es gewohnt, daß ihre Wünsche erfüllt werden. Alle, immer und sofort. Ein Mundwinkel hängt ein wenig, nur ein wenig. Das kommt von der Verachtung gegenüber den Wünschen, die sich immer alle sofort erfüllen lassen. Es ist ihr noch nie in den Sinn gekommen, daß irgend etwas auf der Welt anders laufen könnte, als sie es will. Einerseits möchte sie genau in so einer Welt leben, andererseits kann so eine Welt nicht viel wert sein. Begeisterung kennt Hermia nicht. Lob auch nicht. Und danke hat sie noch nie gesagt.
Und nun stößt Hermia zum ersten Mal auf Widerstand. Ausgerechnet bei ihrem Vater! Er war’s doch, der ihr von klein auf den Refrain beigebracht hat, daß Hermia kriegt, was Hermia will. Und jetzt ist er stur. Und penetrant.
Egeus wendet sich sogar an seinen Heerführer. »Theseus, du bist der König. Entscheide! Was muß meine Tochter tun?«
Entscheiden tut Theseus gern. Das ist für ihn wie Holzhacken, kompensiertes Holzhacken.
»Hermia«, sagt er, »es gibt da zwei Möglichkeiten: Entweder du gehorchst, oder du gehorchst nicht.«
»Ja«, sagt Hermia, »so weit habe ich die Sache auch schon überblickt.«
»Na gut«, sagt Theseus. »Angenommen, du gehorchst, dann brauchen wir nicht weiter zu debattieren, dann ist alles in Ordnung. Wenn du aber nicht gehorchst, gibt es wieder zwei Möglichkeiten: Entweder dein Vater steckt dich ins Kloster, oder ich lasse dir den Kopf abschlagen. Überleg dir die Sache gut! Ich gebe dir eine Frist. Bis zum Tag meiner Hochzeit darfst du nachdenken.«
Hermia hat da noch eine andere Möglichkeit entdeckt: Sie wird Athen verlassen. Wo nicht geschieht, was sie will, dort will sie nicht sein. Und Lysander soll mit ihr gehen.
»Wir schleichen uns aus der Stadt. Was meinst du, Lysander?«
»Ja.«
»Wir treffen uns in der Nacht.«
»Ja.«
»Im Wald.«
»Ja.«
»Was hältst du davon?«
»Ja.«
»Kannst ruhig auch einmal nein sagen.«
»Ja.«
Aber Hermia kann ihren Mund nicht halten. Sie hat eine beste Freundin, Helena. Ein Geheimnis vor der besten Freundin widerspricht ihrer Selbsteinschätzung:
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