Shakespeare, Katz & Co
Atem.‹«
Burbage lachte und tätschelte seinen fülligen Bauch. »Es muß am Ale liegen. Es hat sich in vierhundert Jahren nichts geändert. Das Ale schmeckt mir immer noch.«
»Hat jemand von euch Rosalind gesehen?« fragte Penelope.
»Seit der Vorstellung hat sie niemand gesehen«, sagte Shakespeare. »Das sieht ihr gar nicht ähnlich. Ich fange an, mir ein bißchen Sorgen zu machen.«
»Sie ist wahrscheinlich bei Sir Robert.«
»Dieser Schuft.«
Christopher Marlowes Schauspieler hauten kräftig auf den Putz, ganz nach Tradition der Festspiele. Falls sie die Ermordung der Königin in irgendeiner Weise bedrückte, dann gab es kein Anzeichen dafür, als sie ihre Humpen zu einem Trinkspruch erhoben.
»Auf die königlichen Melonen«, schrie Marlowe über den Lärm hinweg.
Penelope errötete heftig und wünschte, sie hätte ihn mit einem ordentlichen Tritt in den atheistischen Hintern von den Festspielen ausgeschlossen, statt ihm einen Kompromiß anzubieten.
»Die königlichen Melonen«, schallte es durch den Raum. Jemand schrie bittend: »Zeigt uns die königlichen Melonen!«
»Auf gar keinen Fall«, sagte Penelope. Ihre Wangen brannten vor Scham und Wut.
»Schenkt ihnen keine Beachtung«, sagte Marlowe mit dem Grinsen, das Penelope langsam, aber sicher unsympathisch wurde. »Sie amüsieren sich nur.«
»Auf meine Kosten.«
»Sie meinen es nicht böse. Es is’ das Ale, das Eure Untertanen so sprechen läßt.«
»Sie können das elisabethanische Gewäsch lassen«, sagte Penelope, die langsam sauer wurde. »Das nächste Mal werde ich Kleinholz aus Ihnen machen.« Sie stürmte nach draußen.
»Was war denn das?« fragte Andy vorsichtig. Sowohl er als auch Mycroft hatten ihre schlechte Laune schon ein paarmal mitbekommen und wollten nicht unbedingt Ziel ihres Zorns werden.
»Ich kann diesen widerlichen Mann nicht ausstehen.«
Ein Blitz zuckte durch die Dunkelheit. Ihm folgte kurz darauf ein Donnerschlag. Die Götter des Sturms hatten sich scheinbar dazu entschlossen, die Festspiele heimzusuchen.
Die Mitglieder des königlichen Hofes warteten schweigend, als die Königin mit ihrem Gefolge eintraf. Sie erhoben ihr Glas zu einem höflichen Trinkspruch auf Ihre Huldvolle Majestät, den Penelope lächelnd mit einem königlichem Nicken in Richtung aller Anwesenden entgegennahm.
Penelope versuchte es ein letztes Mal. »Hat jemand Sir Robert gesehen?«
»Er ist nicht mehr zurückgekommen, Euer Majestät.«
Ein kalter Wind rappelte am königlichen Pavillon und kündigte an, daß sich der Sturm über ihnen befand.
»Wir sollten uns besser zurückziehen, Euer Majestät.«
»Ich glaube, das wäre klug.«
Der Hof zog sich eilig in die Unterkünfte zurück.
Penelope liebte die heftigen Wüstenstürme, die plötzlich mit ihren gewaltigen Windböen, dem trommelnden Regen, den wütenden Blitzen und lauten Donnerschlägen auf die Erde niedergingen. Sie waren typisch für England und die Vorzeichen großer Geschehen, wie es schon in der Angelsächsischen Chronik und den elisabethanischen Tragödien verzeichnet war.
Mycroft teilte Penelopes Begeisterung für die sich entladenden Naturgewalten nicht. Blitze machten ihm nichts aus, solange sie sich nicht in seinen Limabohnenvorrat im Regal verirrten. Er tolerierte den lautesten Donner, da er ihn meistens sowieso verschlief, und der Wind war auch nur halb so schlimm, aber…
Big Mike hatte eine Aversion gegen jegliche äußerliche Anwendung von Wasser. Einmal, während einer langen Dürre in Äthiopien, hatte Penelope die Badewanne für Notfälle mit Wasser gefüllt. Da die Badewanne in der fünften Kurve der Rennstrecke lag, die der junge, energische Mycroft sich ausgedacht hatte, wußte Penelope, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis das junge Kätzchen auf die altmodische Art getauft wurde, nämlich durch vollständiges Untertauchen. Und als sich Mycroft mit ein paar Runden durch das Wohnzimmer aufwärmte, nahm Penelope ihre Stellung an der Badezimmertür ein, bereit, ihn sofort zu retten. Penelope duckte sich, als Mycroft in die Zielgerade, sprich den Flur, kam, an Geschwindigkeit zulegte und hoch über die mit Wasser gefüllte Wanne sprang. Bis zu dieser Nacht schwor Penelope, daß Mycroft mitten in der Luft angehalten, der Schwerkraft getrotzt, sich um 180 Grad gedreht und dann den Nachbrenner zum Beschleunigen eingeschaltet hatte. Dann war er an der Tür gelandet, durch die sechste Kurve geschlittert und anschließend durchs Schlafzimmer gerast. Dabei
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