Shakespeare, Katz & Co
hatte er keinen einzigen Wassertropfen abbekommen.
Als Penelope und Andy also einen Moment auf der Kissing Bridge hielten, rannte Mycroft nach Hause, wobei er geschickt den ersten fetten Regentropfen auswich und gerade noch rechtzeitig ankam, um den Schatten einer dunkelgekleideten Gestalt zu sehen, die um die Ecke des Wohnmobils verschwand. Während Mycroft auf den Stufen wartete, auf denen er vor dem Sturm geschützt war, grübelte er über das Stück Papier nach, das an der Tür klebte.
Penelope und Andy schafften es gerade noch, sich vor dem Wolkenbruch unterzustellen, und standen lachend und keuchend da, während Big Mike miauend versuchte, ihnen zu sagen, was er gesehen hatte. Aber, ach, o weh, Menschen waren gelegentlich etwas schwer von Begriff – eigentlich meistens. Um genau zu sein, würden sich die meisten Katzen erst gar nicht mit der menschlichen Rasse abgeben, wäre da nicht ihre Geschicklichkeit beim Bedienen des elektrischen Dosenöffners.
Na, jedenfalls kam es noch zu einem Kuß, einem ziemlich langen sogar, bevor Penelope und Andy sich schließlich umdrehten und das Schreiben an der Tür entdeckten. Blitze erhellten die Nacht lange genug, daß Penelope den blutigen Dolch auf dem Papier und die undeutlich geschriebenen Worte »Hüte dich vor den Iden des März« sehen konnte.
Und dann war es wieder dunkel.
Nach dem Sturm hatte sich der Himmel aufgeklärt, und der Tag war hell und klar. Als die Sonne am Himmel aufstieg und Wärme und Frohsinn über das kleine Feld verbreitete, das für eine weitere kurze Zeitspanne das alte England sein würde, wurden glückliche Festspielbesucher an den Toren mit Begrüßungsreden des Lord High Mayors, des Lord High Sheriffs und von Master Will Shakespeare empfangen.
Der Festzug der Königin bahnte sich ohne weitere Zwischenfälle seinen Weg durch das von Feiernden überfüllte Dorf bis zum königlichen Pavillon. Weitere Reden wurden gehalten. Die Truppen hielten Paraden ab. Die Ritter salutierten. Die Königin wurde unter lautem Jubel empfangen. Ihre Königliche Hoheit erteilte den Versammelten und den Feierlichkeiten ihren Segen, während sie sich die ganze Zeit fragte, welcher ihrer weniger treuen Untertanen für die unmißverständliche Warnung verantwortlich war.
Penelope wußte, daß unter der Menge glücklicher Gesichter ein Mörder sein konnte. Vielleicht war, welch schrecklicher Gedanke, der Mörder sogar ganz in ihrer Nähe – als ein vertrauenswürdiges Mitglied des Hofes. Und wo war der nicht auffindbare Sir Robert Dudley? War er irgendwo da draußen und lebte in einer düsteren Phantasiewelt, die von den geschichtlichen Fakten noch genährt wurde? Schließlich war die Frau des echten Sir Robert, Amy Robsart, unter sehr mysteriösen Umständen gestorben. Zur damaligen Zeit, vor einigen Jahrhunderten, hatten viele geglaubt, daß die arme Amy ein Opfer ihres Ehemanns geworden war, der sie umgebracht hatte, damit er Königin Elisabeth heiraten konnte. Aber dazu war es nicht gekommen. Dennoch… vielleicht hatte der gegenwärtige Sir Robert die Königin umgebracht, um seine neue Liebe zu besitzen, die süße Rosalind aus Wie es euch gefällt.
Penelope schüttelte den Kopf. Wenn sie nicht einmal den aktuellen Mord lösen konnte, wie sollte sie dann einen rätselhaften Vorfall lösen, der sich vor mehr als vier Jahrhunderten ereignet hatte? Außerdem war es bei all dem Lärm um sie herum viel zu schwer, sich zu konzentrieren.
»Wo ist der königliche Kater?« fragte Ihre Majestät zwischen den ohrenbetäubenden Fanfarenstößen.
»Ich habe ihn gesehen, wie er unter das Zelt gekrochen ist, Majestät«, antwortete Lady Kathleen. »Er schien auf dem Weg zum Stand mit den gebratenen Truthahnkeulen zu sein.«
»Schon wieder?«
»Ich fürchte, ja, Euer Majestät.«
Mycroft entwickelte langsam eine Leidenschaft für Truthahnkeulen. Penelope machte sich keine Sorgen darüber, daß Mycroft allein über das Gelände spazierte. Er konnte auf sich selbst aufpassen, was auch die unglücklichen Hunde am Tag zuvor gemerkt hatten. Sie hatte auch keine Angst, daß er sich überfressen würde. Obwohl er Fressen genauso genoß wie Schlafen, war Big Mike eher ein Gourmet als ein Vielfraß. Selbst wenn ein Festmahl mit seinen geliebten Limabohnen vor ihm stand, aß er nur soviel, bis er seine Energiereserven aufgefüllt hatte. Dann wandte er sich für gewöhnlich von der Delikatesse ab, um sich ein paar Bohnen für die nächste Mahlzeit aufzubewahren.
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