Shakespeare, Katz & Co
Reiten, wie jeder anderen Katze auch, Spaß machte, hockte in einer Satteltasche hinter Penelope. Er grub die Krallen in das Leder und miaute laut. Normalerweise hätte Alexander in der anderen Satteltasche gesessen, vor sich hin gejault und den Wind genossen, der ihm um die Nase wehte. Aber Penelope fühlte sich Laneys Fragen an diesem Morgen nicht gewachsen und hatte sich daher entschieden, ein paar ruhige Momente zu genießen.
Sie ritten immer höher hinauf, bis sie Penelopes Lieblingslichtung erreichten, von wo aus sie auf die endlose Wüste hinunterblicken konnte, die unberührt in der späten Morgensonne dalag. Die kleine Gemeinde von Empty Creek sah aus, als habe sie sich dicht an den Fuß des Crying Woman Mountain gekuschelt. Sogar aus dieser Entfernung konnte Penelope das Haus ausmachen, das Stormy nun mit Dutch teilte. Es lag auf halber Höhe an den Hängen des dunklen, geheimnisvollen Berges, auf dem der Geist eines Indianermädchens weilte, den ein paar wenige Auserwählte weinen hören konnten. Penelope hatte die gequälten Schluchzer schon ein paarmal gehört.
»Warum benimmt sich Dutch so komisch?« fragte Penelope Mikey, Chardonnay und die sanfte Winterbrise. Mikey schlug nach einer Fliege, die an seiner Nase vorbeibrummte, Chardonnay schnaubte und scharrte auf dem Boden, und die Brise verstummte. Als Dutch sie an diesem Morgen schließlich zurückgerufen hatte, war er sehr kurz angebunden gewesen und hatte gesagt, er sei zu beschäftigt, um sie zu sehen. Als Penelope daraufhin nicht lockerließ, hatte er ihr widerstrebend ein paar Minuten zugestanden.
»Das sieht ihm gar nicht ähnlich, Leute«, sagte Penelope zu ihren Freunden und lehnte sich nach vorn, um Chardonnays Nacken zu streicheln. Aber schließlich waren Morde und Banküberfälle – wie unfähig sich die Übeltäter auch angestellt hatten – für Empty Creek höchst ungewöhnliche Vorfälle. Waren sie der Auftakt für das Iden-des-März-Wochenende? fragte sich Penelope, während sie sich nach hinten lehnte, um Mikey unter dem Kinn zu kraulen – es war nicht nötig, Eifersucht zwischen ihren Tierfreunden zu provozieren. Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Big Mike war ganz zufrieden damit, in die Ferne zu starren und seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.
Hoch oben kreiste ein Habicht. Er schwebte am Himmel und glitt majestätisch mit ausgestreckten Flügeln dahin. Penelope schirmte die Augen ab, als sie zu dem Raubvogel hochblickte. Sie wußte, daß seine scharfen Krallen in Sekunden eine ahnungslose Maus oder ein kleines Kaninchen töten konnten. Und trotzdem war er so schön. Und unheilvoll?
Düstere Vorzeichen beschränkten sich nicht auf Shakespeares Tragödien. Die Angelsächsische Chronikhalte Hungersnöte, Mond und Sonnenfinsternis, seltsame Astrallichter, Kometen, die noch nie vorher gesehen worden waren, und Pestilenz als Vorboten von folgenschweren Ereignissen gedeutet – den Tod von Königen und Bischöfen, erbitterte Schlachten, die Invasionen der Dänen und Normannen.
»Das mag ja in der Literatur so sein«, teilte Penelope dem Wind mit, da der scheinbar der einzige war, der ihr zuhörte. Chardonnay kaute auf einem Blatt herum, und Mycroft balancierte unsicher auf seinen Hinterbeinen, während er wieder versuchte, die Fliege zu fangen. »Aber nicht im richtigen Leben und auf gar keinen Fall unter meiner Herrschaft, egal wie bescheiden meine Regentschaft auch sein mag.«
Vielleicht war ein Besuch bei der königlichen Astrologin angebracht. Natürlich nur als Vorsichtsmaßnahme.
»An die Arbeit, Leute.«
Es vergingen weitere zehn Minuten, da Chardonnay scheute und sich weigerte, von den saftigen Blättern abzulassen. Als Penelope ihr freien Lauf ließ, schlug Chardonnay den falschen Weg ein. Diese kurze Unterbrechung hätte den Zeitplan des Universums wieder geraderücken sollen, aber da Perversität nun einmal war, was sie war, kam es nicht dazu.
»Dutch erwartet mich.«
»Er ist auf dem Kriegspfad«, warnte Sheila Tyler sie. »Uups, das ist vielleicht politisch nicht korrekt.« Sie streichelte liebevoll Big Mikes Kopf, nachdem er auf den Tisch gesprungen war.
»Ich werde es niemandem sagen.«
»Sagen wir einfach, er hat ziemlich miese Laune.«
»Na, dann muß ich ihn eben einfach aufheitern, richtig?«
Falsch.
Sheila drückte die Tür auf, und Penelope betrat das innere Heiligtum der Polizei von Empty Creek. Sie folgte dem Labyrinth aus Fluren und kleinen Büros, durchquerte das Großraumbüro,
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