Shakespeare, Katz & Co
um die Bergspitze, und Penelope schloß den Reißverschluß ihrer Windjacke, als sie zu der kleinen Steinmauer ging, die den Parkplatz umgrenzte. Sie blickte von oben auf das nachgebaute elisabethanische Dorf, und es erschien ihr aus der Entfernung winzig klein, wie es geradezu unschuldig im Licht der untergehenden Sonne dalag.
Nachdem Sam gegangen war, schoß Penelope der Refrain durch den Kopf, den Sam angefangen hatte. Es war wie bei einem dieser Lieder, die, hatte man es einmal gesummt, einem nicht mehr aus dem Kopf gingen.
»›Schön ist wüst, und wüst ist schön.‹«
Sogar nachdem sie versucht hatte, alles von hinten aufzurollen, schien ihr das Rätsel der zwei Morde so unlösbar wie zuvor.
Mycroft saß ruhig auf der Mauer und schnurrte genüßlich, als Penelope ihm mit sanfter Bewegung das vom Wind zerzauste Fell glattstrich.
»Wir haben zu angestrengt darüber nachgedacht, Mikey. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß ich ein wenig entspanne und sehe, was passiert.« Dies war ein ausgezeichneter Ratschlag, und Penelope wünschte, sie könnte ihn befolgen.
Stormy las gerade Drehbücher, als Penelope und Mycroft ankamen. Big Mike sprang gleich auf ihren Schoß.
»Mikey, gib mir einen Kuß. Hi, Penny.«
»Hi, Cassie. Ist irgendwas Gutes dabei?«
»Da sind ein paar, die mir gefallen. Myron möchte, daß ich das hier mache.«
Myron Schwartzman war Cassies Agent, genau der Mann, der unter dem Einfluß harter Getränke ihren Künstlernamen Storm Williams kreiert hatte, während er in der Polo Lounge in den Erinnerungen an die großartigen troddelschwingenden Stripperinnen seiner Jugendzeit geschwelgt hatte.
»Myron ist wahrlich ein großartiger Ratgeber, was unsterbliche Filmrollen für Frauen angeht.«
»Ach, Myron ist gar nicht so schlecht. Ich würde ohne ihn immer noch Bademodenreklame machen. Hier, schau mal.«
Penelope nahm das gebundene Skript und las.
Legs Ein Originaldrehbuch
von Stanley White
EINBLENDEN:
VORSPANN ÜBER einem Zeichenbrett, während ein nicht zu sehender Comiczeichner mit schnellen kräftigen Strichen VANESSA DIAMOND malt, eine Heldin in der Tradition der alten Hollywood-Filme. Während der Künstler Details hinzufügt, können wir sehen, daß Vanessa langes blondes Haar, ein schönes Gesicht, einen wohlproportionierten Körper und endlos lange, schlanke Beine hat.
»Was für ein Dreck«, sagte Penelope.
»Es ist mir genau auf den Leib geschrieben. Ich kann einen Bogart-Hut tragen. Lies weiter.«
VORSPANN FÄHRT FORT, als wir sehen, wie die knallharte, kurvenreiche Privatdetektivin drei Bösewichte mit Kick-Boxing überwältigt, ihnen die Handschellen anlegt und sie der Polizei übergibt.
VORSPANN endet, während wir zu Farbe ÜBERGEHEN und unsere Comicheldin real wird – Legs Diamond, Privatdetektivin.
Vanessa (erotisch): »Was steht an, Süßer?«
»Ein weiblicher Humphrey Bogart«, sagte Penelope und warf das Skript zur Seite. »Was steht noch zur Auswahl?«
»Draculas Schwester.«
»Mach Humphrey«, sagte Penelope und begründete so, ohne es zu wissen, Stormys Karriere in dem Überraschungserfolg Legs Diamond. Dieser Entschluß würde schließlich zu zwei Fortsetzungen, einer Vanessa-Diamond-Mode, einer Super-Bra-Werbung, einem Auftritt bei Jay Leno und ganzseitigen Anzeigen in Variety und Hollywood Reporter führen.
»Was meinst du, Mikey?« fragte Tante Cassie.
Mikey stimmte Penelopes Wahl offensichtlich zu, obwohl er während Stormys Filmen immer einschlief – natürlich erst, nachdem das Popcorn serviert worden war. Er mochte eigentlich kein Popcorn, aber man konnte es zu kleinen Geschossen umfunktionieren und mit ein, zwei ordentlichen Schlägen durch den Raum schießen, so daß er manchmal aussah wie ein Hockeyspieler, der einen Schlagschuß lieferte. Dennoch hatte er es ganz gern, wenn man ihn in diesen wichtigen Angelegenheiten um Rat fragte. Er drückte seine Zustimmung dadurch aus, daß er Draculas Schwester auf den Boden stieß – zusammen mit Kampffrau vom Mars, Sklaven der Exosphäre und Monster aus München –, während er es sich auf Stormys Schoß bequem machte.
»Na, das wäre dann ja entschieden.«
Und das auch noch vor dem Abendessen.
Das Abendessen verzögerte sich jedoch ein bißchen, als Penelope darauf bestand, daß Dutch die Bemerkung wiederholte, die er – nach einem leidenschaftlichen Kuß für Stormy und einem brüderlichen für sie – gemacht hatte, um die Unterhaltung ein bißchen zu
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