Shakespeares ruhelose Welt
vergessenes Wort, war den Elisabethanern geläufig: Seinen Richard II. lässt Shakespeare sagen:
«Nun von dem Krieg in Irland!
[Man muß sie tilgen, diese rau dickköpf’gen Kerns ],
Die dort wie Gift gedeihn, wo sonst kein Gift,
Als sie allein, das Vorrecht hat zu leben.»
Der irische kern war deshalb in aller Munde, weil diese Guerilleros damals für alle Widrigkeiten herhalten mussten, auf welche die Engländer in Irland trafen. Leicht bewaffnet, rasch zu Fuß, mit dem Land vertraut – wir haben hier den Archetypus des wie im Albtraum unfassbaren Kämpfers und Waldläufers. Der englische Traum, Irland besiedeln zu können, war, wie viele glaubten, nicht deswegen zum Scheitern verurteilt, weil die ganze Insel sich dagegen wehrte. Das Problem, so hieß es, sei nicht das gesamte irische Volk, sondern allein jenes Pack unter ihnen, diese Wilden aus dem Wald, die kerns . Eben das wollte Derricke mit seinem Buch glauben machen, wie Ciaran Brady vom Trinity College in Dublin näher erläutert:
«Das Fazit ist, nicht alle Iren sind Barbaren und grobe Klötze, eine bestimmte Art Iren allerdings muss man zähmen: die wood kerns nämlich. Diese Männer hatten zuvor als Milizionäre in den gut zweitausend Mann starken Privatarmeen unter der Führung irischer Feudalherren gekämpft, waren also Berufskrieger. Gewalt war ihr Metier, und sie waren bereit, Terrorakte auszuführen, üblicherweise gemeinsam mit organisierten Verbrecherbanden. Wurden sie entlassen, wussten sie nicht, wohin sie gehen sollten. Einige verließen die Insel, die meisten jedoch zogen in die Wälder. Und als 1579 die Desmond-Aufstände der 1580er ausbrachen und später in den 1590ern der große Aufstand in Ulster folgte, kamen sie aus den Wäldern. Und sie waren nicht die Art von Männern, denen man gerne morgens um drei begegnen würde.»
Ungebärdig, liederlich, verdreckt und zottelig – das wild animalische Wesen prägte das Bild der wood kerns .
Irenkrieger, wie sie Shakespeare hinter der Bühne lauern ließ, kämpften unberechenbar mal auf der einen, mal auf der anderen Seite; gelegentlich, wie hier, auch mit den Engländern, zumindest für eine Weile:
«BOTE: … daß Herzog York von Irland jüngst gekommen
Und mit gewalt’ger, starker Heeresmacht
Von Galloglassen und von derben Kerns
Hieher ist auf dem Marsch mit stolzem Zug.»
Aber sie waren auch irische Freiheitskämpfer der Art, mit der englische Granden wie der Herzog von York fertig werden sollten:
«KARDINAL: Mylord von York, versucht nun Euer Glück.
Die rohen Kerns von Irland sind in Waffen
Und feuchten Lehm mit Blut der Englischen.
Wollt Ihr nach Irland führen eine Schar
Erlesne Leut’, aus jeder Grafschaft ein’ge,
Und Euer Glück im ir’schen Krieg versuchen?»
Das Problem mit den kerns war, dass man eben niemals wissen konnte, auf wessen Seite sie standen.
Rory Oge O’More nun war kein einfacher Krieger, sondern ein Häuptling, und für die Engländer nichts weiter als ein Serientäter, der unablässig gegen das englische Gesetz verstieß. Seine Familie stammte aus Leinster in denirischen Midlands; ihre Ländereien gehörten, nachdem die irische Kolonie 1556 offiziell gegründet worden war, zu den ersten, die für englische Siedler beschlagnahmt wurden. Rory Oge, berühmt für seine mutige Opposition gegen die englische Siedlungspolitik, die plantations , führte zwei größere Erhebungen an. Die erste, von 1571 bis 1577, endete, als Henry Sidney dem Iren Rory Oge etwas Landbesitz anbot und dieser annahm. Das wechselseitige Misstrauen aber blieb, endgültig geschlichtet war der Streit damit nicht. 1577/78, nach einem nur zehnmonatigen Frieden, stellte sich Rory Oge erneut an die Spitze eines Aufstands, und nun begannen die Engländer ihren Straffeldzug gegen die Rebellen. Der Konflikt zog sich hin, auf beiden Seiten kam es zu Massakern, und selbst an die damals üblichen Regeln des Kriegs hielt sich niemand. Rory Oge wurde dämonisiert, Zauberkräfte dichteten die Engländer ihm an und hielten ihn für gewissenlos niederträchtig.
Rory Oge O’More stand im Zentrum, als sich die Engländer im Versuch, ihre Herrschaft über Irland durchzusetzen, neu orientierten. Von nun an galten ihnen die Iren als unverbesserlich, als von Natur aus gewalttätig und rebellisch. Außerdem hielten die Engländer Rory Oge für einen Wendehals und Verräter. Nochmals Ciaran Brady:
«Eine Zeitlang hatte Rory Oge als Verbündeter oder Agent der englischen Regierung in Irland fungiert; dann
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